Die Influenza ist aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Influenzavirus nur schwierig zu kontrollieren. Die bislang zur Influenzatherapie zugelassenen Substanzklassen – M2-Membranproteinhemmer und Neuraminidasehemmer – können bereits im Körper befindliche Viren nur in begrenztem Maße inaktivieren, zudem sind schon mehrere resistente Virenstämme im Umlauf. Deshalb ist der Bedarf groß an anti-viralen Wirkstoffen mit einem möglichst breiten Wirkspektrum, die bestenfalls nicht zu Resistenzen führen. Aktuelle Untersuchungen von Prof. Dr. Stephan Pleschka am Institut für Medizinische Virologie, Universität Gießen, haben ergeben, dass das pandemische Influenzavirus (H1N1) durch die kombinierte Gabe von Senfölen aus Kapuzinerkresse und Meerrettich (Mischungsverhältnis wie in ANGOCIN Anti-Infekt N) in seiner Vermehrung in menschlichen Lungenzellkulturen nahezu 100prozentig gehemmt wird. „Damit haben wir Hinweise darauf, dass das Senfölgemisch möglicherweise eine zusätzliche phytotherapeutische Option bei viralen Atemwegsinfektionen darstellen könnte“, erklärt Pleschka. „Da die Bildung von resistenten Influenzaviren in der Langzeittherapie noch nicht untersucht ist, sind weitere Untersuchungen zur Abschätzung des anti-viralen Potentials von großem Interesse und wurden bereits begonnen“, so der Studienleiter weiter.
Das Influenzavirus gehört zu den Virenarten, die sehr schnell mutieren und Resistenzen bilden. Diese Eigenschaft ist einer der Hauptgründe dafür, warum die Influenzaviren so schwer zu bekämpfen sind und warum jedes Jahr neue Impfstoffe benötigt werden. Der Bedarf an neuartigen Strategien zur Therapie der Influenza ist demzufolge groß.
Senfölhaltige Pflanzen, darunter auch die Kapuzinerkresse und die Meerrettichwurzel, wurden bereits vor Jahrhunderten in der Klostermedizin zur Therapie von Atemwegs- und Harnwegsinfekten eingesetzt. Im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen standen die pflanzlichen Wirkstoffe erstmals 1958, als Winter und Willeke eine antivirale Wirkung des Senföls aus Kapuzinerkresse beobachten konnten[1].
Senfölgemisch hemmt Influenzavirus-Vermehrung um fast 100%
Anknüpfend an frühere Untersuchungen[2] hat die Arbeitsgruppe um Pleschka am Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen nun die antivirale Wirksamkeit der in Kapuzinerkresse und Meerrettich enthaltenen Senföle [Kapuzinerkresse: Benzylisothiocyanat; Meerrettich: 2-Phenylethylisothiocyanat und Allylisothiocyanat] bei gleichzeitiger, kombinierter Verwendung untersucht (wie in ANGOCIN Anti-Infekt N). In einer Zellkultur von humanen alveolaren Lungenepithelzellen wurde zuerst die Menge des Senfölgemischs bestimmt, welche keinen toxischen Effekt auf die Zellen ausübt. „Anschließend wurde der Effekt dieser Senföle auf die Vermehrung des neuen, pandemischen Influenzavirus (H1N1) untersucht“, erläutert der Studienleiter. „Die aktuellen Untersuchungen zeigen, dass bei Verwendung der kombinierten Senföle das pandemische Influenzavirus (H1N1) in seiner Vermehrung in menschlichen Lungenzellkulturen um nahezu 100 Prozent gehemmt wird. Damit konnte eine um den Faktor 10 hoch 5-mal höhere anti-virale Wirkung erreicht werden, als bei der singulären Nutzung der Isothiocyanate, die wir bereits 2010 analysiert hatten“, führt Pleschka aus. Bei jenen früheren in-vitro Untersuchungen konnte das Forscherteam für jedes der drei genannten Senföle eine Hemmung der Influenzaviren (H1N1) bis zu 90 Prozent nachweisen.
Ob die neuen Ergebnisse auch auf andere atemwegsrelevante Viren übertragbar sind, soll nun in einer weiteren Studie mit Rhinoviren ermittelt werden. Weitere Untersuchungen zur genauen Wirkungsebene und zu den Resistenzeigenschaften haben ebenfalls gerade begonnen, erklärt Pleschka, der unter anderem auch als Koordinator des Projektes EUROFLU zur Erforschung der Vogelgrippe aktiv war.
Anti-bakterielle Wirkung durch Studien belegt
Im Vergleich zur anti-viralen Wirkung ist die anti-bakterielle Wirkung der Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel (ANGOCIN® Anti-Infekt N) bereits vor einigen Jahren durch mehrere in-vitro Studien am Universitätsklinikum Freiburg belegt worden[3, 4, 5]. Die klinische Wirksamkeit des Senfölgemisches wurde in zwei prospektiven Kohortenstudien an Erwachsenen und Kindern mit Atemwegsinfekten sowie in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie zur Prophylaxe bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen nachgewiesen[6, 7, 8]. Die Studien zeigen unter anderem, dass die Pflanzenkombination aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkressenkraut bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis oder akuter Blasenentzündung wirksam und gut verträglich ist.
Literatur:
1. Winter, A.G., Willeke, L.: Untersuchungen über den Einfluss von Senfölen auf die Vermehrung des Influenza-Virus im exembryonierten Hühnerei, Arch. Mikrobiol. 31, S. 311-318 (1958)
2. Ärztezeitung v. 16.12.2010: Influenza-Viren mit Phytotherapie bekämpfen.
3. Conrad, A. et al: In-vitro-Untersuchungen zur antibakteriellen Wirksamkeit einer Kombination aus Kapuzinerkressekraut (tropaeoli majoris Herba) und Meerrettichwurzel (Armoraciae rusticanae radix), Drug Res 56/12: 842-849 (2006)
4. Conrad, A. et al: Breite antibakterielle Wirkung einer Mischung von Senfölen in vitro. Z Phytotherapie 29, Suppl.1: S22-S23(2008)
5. Conrad, A. et al. 2009: Broad spectrum antibacterial activity of a mixture of isothiocyanates from nasturtium (Tropaeoli majoris herba) and horseradish (Armoraciae rusticanae radix), zur Publikation eingereicht bei „Phytotherapy Research“.
6. Goos, K.-H. et al.: Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung im Vergleich zu anderen Therapien unter den Bedingungen der täglichen Praxis, Drug Res 56: 249-257 (2006)
7. Goos, K.-H. et al.: Aktuelle Untersuchungen und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung bei Kindern im Vergleich zu anderen Antibiotika, Arzneim.-Forsch./Drug Res. 57, No. 4, 238-246 (2007)
8. Albrecht, U. et al.: Eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie eines pflanzlichen Arzneimittels aus Kapuzinerkresse und Meerrettich in der Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten, Curr Med Res Opin 23(10): 2415-2422 (2007)