Versorgungsgefährdung bei manchen Wirkstoffen

AOK Studie zu Rabattverträgen ruft Kritik hervor 30.04.2018 14:50 Uhr

Noch gibt es nicht einmal eine offizielle Veröffentlichung, da lässt eine aktuelle Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) die Wellen bereits hoch schlagen. Laut der Studie soll das stark unter Beschuss geratene Rabattvertragsmodell ein großer Erfolg sein. Nicht nur in puncto Einsparungen für die Krankenkassen, sondern auch durch eine geringe Marktkonzentration und dadurch sichere Patientenversorgung. Doch diese Sichtweise wird ganz und gar nicht von allen Beteiligten an der Gesundheitsversorgung getragen. Als eine der ersten Unternehmerinnen reagiert Marianne Boskamp, die Geschäftsführerin der G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG in Hohenlockstedt. Sie hält die medial verbreiteten Aussagen aus der WIdO-Untersuchung für zumindest in Teilen fragwürdig.

Laut Marianne Boskamp steckt der Teufel wie so häufig im Detail. Die AOK beruft sich zum Beleg der vermeintlich „äußerst geringen“ Marktkonzentration auf den Herfindahl-Hirschmann-Index (kurz: HHI) als Messinstrument zum Nachweis der marktbeherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen. Die AOK hat – rein oberflächlich betrachtet – den rabattvertragsgeregelten Markt als Ganzes gesehen. Und das spiegelt nicht die Realität. Zieht man beispielsweise einzelne Wirkstoffmärkte in den Fokus, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild, das entgegen der Auffassung der AOK in vielen Teilmärkten bereits eine hohe Marktkonzentration belegt. So beispielsweise in einem Teilmarkt für Notfallmedikamente zur Behandlung von Angina Pectoris. Hier spricht ein HHI Wert von über 1.800 für eine sehr hohe Marktkonzentration. Im Bereich dieser Notfallmedikation gibt es seit vielen Jahren nur noch zwei Anbieter, die bei jeder neuen Ausschreibung an ihre ökonomischen Grenzen gehen müssen. Es ist – so Boskamp – eine Frage der Zeit, ab wann einer von diesen beiden sein Produkt vom Markt nehmen muss, da angesichts der steigenden Anforderungen und damit Kostenentwicklung das Produkt nicht mehr wirtschaftlich hergestellt werden kann. Sollte der verbleibende Anbieter dann nicht liefern können, wäre ein nach BfArM-Liste versorgungsrelevanter Wirkstoff nicht mehr verfügbar. Gerade die AOK, die angesichts ihres Marktanteils einen markanten Einfluss als Marktmacht hat, schreibt bis zu 90 Prozent im Ein-Partner-Modell aus, und damit entgeht gerade dem Patienten die Anbietervielfalt, die das Rückgrat einer zuverlässigen Arzneimittelversorgung bildet.

Unternehmerin Marianne Boskamp sieht sich verpflichtet, die Versorgung der Bevölkerung insbesondere mit versorgungsrelevanten Wirkstoffen aufrechtzuerhalten. „Ich habe allerdings auch die Pflicht, die kontinuierlich steigenden gesetzlichen Anforderungen umzusetzen, wie z. B. die Richtlinie für die Fälschungssicherheit. Das kostet alles Geld, und während die Preise für generische Arzneimittel seit etlichen Jahren eingefroren sind, geht die Schere mit steigenden Kosten und Rabatten einerseits bei nicht steigenden Preisen andererseits kontinuierlich weiter auseinander, bis sich der Vertrieb des Arzneimittels nicht mehr für uns rechnen wird.“

Was sollte anders laufen? Marianne Boskamp plädiert dafür, die heute schon vorliegende Oligopolisierung in Richtung Monopolbildung zu vermeiden, indem für die versorgungsrelevanten Wirkstoffe bei weniger als vier Anbietern gar nicht mehr ausgeschrieben werden oder ersatzweise nur im Drei-Partner-Modell ausgeschrieben werden darf. „Aus meiner Sicht müssen die Lehren aus den Impfstoffskandalen endlich gezogen werden, es ist fünf vor zwölf“, so die engagierte Unternehmerin.