Pick-up-Stellen: Schafft den Unsinn endlich ab! 05.11.2010 09:58 Uhr
Nichts anderes als ein Verbot des Versandhandels von Arzneimitteln,
zumindest aber eine rigorose Beschneidung des Wildwuchses in Form der
"Pick-up-Stellen"- Abholstellen für im Versandhandel bestellte
Medikamente in Drogeriemärkten, Blumenläden und Tankstellen - fordert
die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland in ihrer
Novemberausgabe 2010. Weder werden Pick-up-Stellen von den dafür
zuständigen Amtsapothekern kontrolliert - ein eklatanter Verstoß gegen
die geltenden Sicherheitsbestimmungen auf dem Arzneimittelmarkt - noch
verbessern sie die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, da
die notwenige Beratung durch den Apotheker fehlt. Dass bei der
Bestellung von rezeptpflichtigen Medikamenten bei ausländischen
Versandhändlern auch noch die latente Gefahr des Missbrauchs der
persönlichen Daten besteht, rundet das Bild ab: Weg mit dem unseligen
Erbe aus Ulla Schmidts Zeiten! Die Gesundheitspolitiker sind
gefordert.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint jeden
Monat mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren deutschlandweit und
ist kostenlos in Apotheken erhältlich.
ARZNEIMITTEL SIND KEINE GUMMIBÄRCHEN
Warum die Regierung "Pick-up-Stellen" verbieten muss
Das Wort hat gute Chancen, "Unwort" des Jahres zu werden. Eine
"Pick-up-Stelle" - was ist das eigentlich?
Der Begriff kommt natürlich aus dem Englischen, woher sonst? "Pick up"
hat viele Bedeutungen. Doch im täglichen Sprachgebrauch heißt "to pick
up" einfach "abholen".
"Pick-up-Stellen" sind also nichts weiter als "Abholstellen". Was kann
daran schon schlimm sein? Ist es nicht bequem, wenn man irgendwo das
bestellte Paket abholen kann? Etwa beim täglichen Einkauf in einem
Supermarkt, einer Tankstelle, einer Imbissbude oder einem Blumenladen?
Doch Vorsicht - das "Abholen" hat seine Tücken. Es kommt darauf an,
was man abholt. Ist es ein Buch oder eine CD - kein Problem.
Bei den "Pick-up-Stellen" geht es hingegen um etwas ganz anderes: um
Arzneimittel.
Konkret: Bestellt man Medikamente bei einem ausländischen
Arzneimittel-Versandhändler, dann kann es sein, dass dieser einen
Vertrag mit inländischen Firmen - Drogeriemärkten, Blumenläden,
Tankstellen oder Imbissbuden - geschlossen hat. Die fungieren dann als
"Pick-up-Stellen", also Abholstellen. Dorthin schickt der
Versandhändler die bestellten Arzneimittel. Und die liegen dann da,
bis sie abgeholt werden. Ohne Beratung und ohne staatliche Kontrolle
durch den Amtsapotheker, weil Regulierungsvorschriften fehlen.
Dass der Staat seit Jahren einen solch laxen Umgang mit hochwirksamen
Medikamenten duldet, ist an sich schon ein Skandal: Arzneimittel sind
und bleiben eine "Ware besonderer Art".
Das sahen auch die Gesetzesväter der Bundesrepublik so. Sie nahmen
ihre Verantwortung ernst. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden
zahlreiche Gesetze und Verordnungen rund um das Arzneimittel erlassen.
"Arzneimittelsicherheit" wurde großgeschrieben. Arzneimittelgesetz,
Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung, Großhandelsbetriebsordnung,
Betäubungsmittelgesetz - eine endlose Kette von oftmals
lebenswichtigen Vorschriften regelt den Weg vom Hersteller über den
pharmazeutischen Großhandel und die Apotheke bis hin zum Patienten.
Keine andere Produktgruppe hat bis heute eine solch umfassende
gesetzliche Regelung erfahren.
Warum? Das ist in § 2 des Arzneimittelgesetzes nachzulesen. Da heißt
es: "Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur
Anwendung im oder am menschlichen ... Körper bestimmt sind ..."
Es ist diese "Anwendung im oder am menschlichen Körper", die das
Arzneimittel zu einer "Ware besonderer Art" macht. Alle Regierungen,
alle Gesundheitsminister haben das respektiert. Bis Ulla Schmidt (SPD)
kam. Sie war es, die 2004 dafür sorgte, dass in Deutschland der
Versandhandel mit Arzneimitteln zugelassen wurde. Notwendig war das
nicht. Das hat der Europäische Gerichtshof inzwischen bestätigt.
Ob Bestellung per Post oder per Internet - mit dem Versandhandel von
Arzneimitteln kamen die Auswüchse und Gefahren. Das Bundeskriminalamt
(BKA) weiß ein Lied davon zu singen: Soeben erst lief europaweit die
Operation "PANGEA III", ein Schlag der Polizei gegen illegale
Internetseiten, auf denen gefälschte und daher oftmals
lebensgefährliche Arzneimittel angeboten werden. "Professionell
aufgemacht" und von "mutmaßlich deutschen Anbietern betrieben" - so
das BKA laut einem Bericht des Branchendienstes "Gesundheit adhoc" -
würden die illegalen Internetseiten es dem Kunden kaum noch
ermöglichen, seriöse von unseriösen Angeboten zu unterscheiden.
Ein anderer Auswuchs des Versandhandels von Arzneimitteln waren die
"Pick-up-Stellen". Nehmen wir zu Ulla Schmidts Ehrenrettung an, dass
sie nicht damit gerechnet hat, dass als Folge der Zulassung des
Versandhandels Medikamente jetzt in Blumenläden auf ihre Abholung
warten. Doch der Bürger nimmt fassungslos das offensichtliche
Desinteresse an den Folgen einer so weitreichenden Entscheidung für
die Sicherheit von Arzneimitteln und Patientendaten zur Kenntnis.
Ja - auch von Patientendaten. Zwar regt sich ganz Deutschland über
"Google Street View" auf - Google fotografiert dazu ganze Straßenzüge
und Privathäuser, um sie für die Routenplanung per Internet zur
Verfügung zu stellen -, doch niemand scheint sich dafür zu
interessieren, dass sensible Patientendaten ins Ausland gehen. Denn um
ein verschreibungspflichtiges Medikament zu bestellen, muss das Rezept
an den ausländischen Arzneimittelversender geschickt werden - mit
vollständiger Adresse.
Gibt es sensiblere Daten als die persönlichen Krankheitsdaten? Und
weiß der Besteller, was mit seinen persönlichen Daten im Ausland
passiert? Daten dieser Art lassen sich gut verkaufen.
Jetzt hätten die Regierung und Gesundheitsminister Philipp Rösler
(FDP) die Chance, die Fehler der vorigen Regierung zu korrigieren und
die "Pick-up-Stellen" zu verbieten. Das hat man im Koalitionsvertrag
vereinbart. Auch der Bundesrat ist dafür. Man könnte sogar den
Versandhandel mit Arzneimitteln wieder ganz verbieten. Der Europäische
Gerichtshof hätte nichts dagegen.
Doch die Bedenkenträger im Innen- und Justizministerium, die mögliche
juristische Fallstricke befürchten, halten dagegen. Für sie ist die
Berufsfreiheit einiger weniger offensichtlich wichtiger als die
Arzneimittelsicherheit und der Datenschutz für viele. Das ist mehr als
peinlich.
Verboten bleibt hingegen der Versandhandel von Tierarzneimitteln,
soweit es sich um Tiere handelt, die der menschlichen Ernährung
dienen. Damit soll verhindert werden, dass durch übermäßigen,
unkontrollierten Gebrauch von Medikamenten in der Tierzucht viele
Menschen durch den Genuss des Fleisches zu Schaden kommen.
Mit anderen Worten: Jeder einzelne Bürger darf sich durch den
Versandhandel mit Arzneimitteln potenziell gefährden. Nur wenn eine
größere Zahl von Bürgern gleichzeitig betroffen ist, sieht der Staat
plötzlich Handlungsbedarf. Eine seltsame Auffassung von
Fürsorgepflicht.
In einem solchen Falle spielt auch die Berufsfreiheit der
Versandhändler keine Rolle mehr, weil das Gemeinwohl stärker wiegt.
Das Wohl des einzelnen Bürgers scheint dagegen nur ein Leichtgewicht
zu sein.
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