Jod gegen Strahlung? Schützt Jod gegen Radioaktivität? 10.03.2022 10:48 Uhr
Rund 35 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl in der Ukraine wurde unlängst von der EU-Kommission die Kernkraft wieder als nachhaltig eingestuft. Aber wie steht es um die nukleare Sicherheit? Allein in Europa werden aktuell mehr als 70 Atomkraftwerke betrieben, weitere befinden sich im Bau. Spätestens seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima, die zu einem starken Anstieg von strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in den stark belasteten Gebieten geführt hat, sehen viele Menschen weltweit mit großer Sorge auf die Gefahren radioaktiver Strahlung. Gleiches gilt für Atomwaffen: Zwar hat sich die Menge der atomaren Sprengköpfe seit Ende des Kalten Krieges etwas verringert, dennoch zählt man weltweit immer noch über 13.000 atomare Sprengköpfe, die meisten davon in den Händen von Russland (6.255) und den USA (5.550).
In Zusammenhang mit der atomaren Bedrohung im Falle eines Reaktorunglücks oder eines Einsatzes von Atomwaffen fällt auch immer wieder der Begriff Jod. Das Interesse daran ist sehr hoch - und es herrscht reichlich Aufklärungsbedarf.
Das Wichtigste in einer kurzen Zusammenfassung
Im Zuge eines nuklearen Unfalls kann radioaktives Jod freigesetzt werden. Damit dieses sich nicht in der Schilddrüse anreichern kann, wird hoch dosiertes Jod verabreicht. Hierbei ist der Zeitpunkt der Einnahme allerdings enorm wichtig. Zudem ist die Einnahme von Jodtabletten kein kompletter Schutz gegen Radioaktivität. Dieses Vorgehen schützt nämlich einzig und allein vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse.
Jod ist ein wichtiges Spurenelement im menschlichen Körper, das wichtige Aufgaben übernimmt und für die Gesundheit eine große Rolle spielt. Aber: Große Mengen Jod haben deutliche gesundheitliche Risiken. Eine präventive Einnahme zum falschen Zeitpunkt ist daher nicht nur sinnlos, sondern kann die Gesundheit sogar belasten. Daher sollte die Bevölkerung hohe Jodmengen in Form von Arzneimitteln, wie Kaliumjodid-Tabletten, nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die zuständigen Behörden einnehmen.
Eine Tablette gegen Strahlung? Was bringt Jod gegen radioaktive Strahlung?
Bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk können radioaktive Substanzen freigesetzt werden, unter anderem auch radioaktives Jod. Wird es im radioaktiv verseuchten Gebiet eingeatmet oder über verseuchte Nahrung aufgenommen, kann es sich in der Schilddrüse anreichern und dort Schilddrüsenkrebs hervorrufen. Dies kann mit der Einnahme einer Tablette mit hochdosiertem Jod zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung verhindert werden.
Was ist eine Jodblockade?
Wird zum richtigen Zeitpunkt eine hochdosierte Jodtablette (Kaliumjodid-Tablette) eingenommen, kann so verhindert werden, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichern kann. Das nicht-radioaktive Jod übernimmt eine Art Platzhalterfunktion, indem es die Schilddrüse mit Jod sättigt, mit der erwünschten Folge, dass radioaktives Jod nicht mehr aufgenommen wird. Dieser Prozess wird Jodblockade genannt.
Der richtige Zeitpunkt: Wann sollte man Jod einnehmen?
Wie bereits angedeutet, ist der Zeitpunkt der Einnahme der Tablette entscheidend, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Nimmt die Person die Tablette zu früh, kann das nicht-radioaktive Jod schon wieder abgebaut sein, bevor es im Körper als Platzhalter fungieren kann. Zu spät eingenommen, ist die Schilddrüse vielleicht schon deutlich mit radioaktivem Jod gesättigt. Wann genau der optimale Zeitpunkt für eine Einnahme eintritt, wird bei einem entsprechenden Notfall von den Katastrophenschutzbehörden medial bekanntgegeben.
Einmalige Einnahme oder mehr? Welche Menge an Tabletten ist dann richtig?
In der Regel wird einmal eine Tablette eingenommen, um ausreichend Schutz aufzubauen. Sollten weitere Gaben notwendig sein, wird auch hier von den Behörden darauf hingewiesen. Dringend abgeraten wird eine Eigenmedikation ohne Aufforderung, um Nebenwirkungen wie Herz-Kreislauf-Reaktionen und weitere Gesundheitsgefahren bestmöglich auszuschließen.
Jodtabletten riskant bei Schilddrüsenerkrankungen
Da in Deutschland ein nicht unerheblicher Anteil der Erwachsenen an einer Überfunktion der Schilddrüse neigt, ohne dabei Anzeichen einer Erkrankung zu bemerken, bestehen erhöhte Risiken für diese Personen. Eine solche latente Hyperthyreose kann in eine deutliche Schilddrüsenüberfunktion übergehen, wenn die Betroffenen zusätzlich eine große Menge Kaliumjodid über eine Tablette einnehmen. Daher sollte auch bei einer diagnostizierten Schilddrüsenerkrankung eine Einnahme von hochdosiertem Jod nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen, da sonst z.B. akutes Herz-Kreislauf-Versagen droht.
Jodtabletten: weitere Hinweise zu Dosis und Einnahmezeitpunkt
Ob man öffentlich dazu aufgefordert wird, Jodtabletten einzunehmen, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wieviel radioaktives Jod wurde freigesetzt, wie weit ist die Region vom Ort der Freisetzung entfernt und welchen Einfluss haben z.B. Wind und andere Wetterverhältnisse auf die Verbreitung bzw. die Strahlenbelastung – d.h. wohin ziehen z.B. radioaktive Wolken nach einem Atomunfall?
Jodtabletten für Menschen über 45 Jahren, Schwangere und Kinder?
Die Joddosierung ist altersabhängig. Bei einer ausdrücklichen Anordnung durch die Katastrophenschutzbehörden sollten alle Menschen bis 45 Jahre(vom Kind bis zum Erwachsenen) in den betroffenen Gebieten Jodtabletten einnehmen. Gerade für Kinder und Jugendliche ist durch die besonders empfindliche Schilddrüse eine rechtzeitige Einnahme besonders wichtig – gleiches gilt für Schwangere mit Blick auf den Schutz des ungeborenen Lebens.
Anders sieht es für Personen über 45 Jahre aus. Hier überwiegen die Risiken von Nebenwirkungen den Nutzen der Vermeidung eines erhöhten Risikos für Schilddrüsenkrebs. Daher wird dieser Personengruppe von einer Einnahme von Jodtabletten zur Schilddrüsenblockade selbst bei einem Reaktorunfall abgeraten.
Wo kann ich Jodtabletten kaufen?
Aktuell sind Kaliumjodid-Tabletten in Apotheken sehr gefragt, teilweise sogar ausverkauft. Wie bereits ausgeführt, ist eine Einnahme von Jodtabletten in Eigenregie allerdings keine gute Idee – und auch nicht notwendig: Die Bundesländer lagern ausreichende Vorräte und sind für deren Verteilung im Bedarfsfall zuständig. Wer in direkter Umgebung eines Kernkraftwerks wohnt, für den sind hochdosierte Jodtabletten bundeslandabhängig entweder bereits an den Haushalt verteilt oder werden vor Ort zentral gelagert, beispielsweise im Rathaus oder bei der Feuerwehr. Darüber hinaus werden mehr als 180 Millionen Jodtabletten an verschiedenen Standorten im Land gelagert. Von dort können sie im Ereignisfall über die lokalen Apotheken, Feuerwehrwachen, Rathäuser oder Wahllokale an die Bevölkerung abgegeben werden. Wie dies im Fall der Fälle organisiert wird, wird von der Katastrophenschutzbehörde über die Medien kommuniziert.
Weitere Informationen
Jenseits der nuklearen Sicherheit ist Jod aber ein wichtiges Spurenelement mit einem bedeutenden Einfluss auf unsere Gesundheit. Aber was genau ist Jod? Wofür braucht der Körper Jod? Wie hoch ist der Bedarf, wer hat einen erhöhten Bedarf und wie sieht es mit der Jodversorgung aus? In welchen Lebensmitteln ist es enthalten und was kann ein Jodmangel für Folgen haben? Diese und andere Fragen beantwortet unser Text zum Inhaltsstoff Jod.
Quellen:
Bundesamt für Strahlenschutz, https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/notfall/fukushima/jodblockade.html, online abgerufen am 02.03.2022
Statista, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36401/umfrage/anzahl-der-atomsprengkoepfe-weltweit/#professional, online abgerufen am 02.03.2022
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), https://www.jodblockade.de/, online abgerufen am 02.03.2022