Philosophische Lehre und Bewegungssportart

Mit Yoga physische und psychische Leiden bekämpfen 03.06.2016 09:20 Uhr

Yoga ist in den Augen vieler nur eine von „diesen Verknotungstechniken“, die nur Schlangenmenschen beherrschen. Weit gefehlt, wenn auch mit einem Tropfen Wahrheit: Yoga macht den Bewegungsapparat tatsächlich flexibler. Daneben hilft es laut neuester Studien aber auch bei der Behandlung psychischer Störungen. Wie vielfältig die indische Lehre einsetzbar ist, zeigt der folgende Artikel.

1. Mehr als Verbiegen

Obwohl Yoga de facto als philosophische Lehre entstand, ist es heute in der westlichen Welt vor allem als Bewegungssportart bekannt. Fachlich korrekt ausgedrückt: „Yoga ist eine Bewegungslehre, die auf Einheit und Nachhaltigkeit zielt“. Also ein ganzheitlicher Ansatz, um Körper und Geist in Einklang zu bringen – und damit nicht unähnlich anderer fernöstlicher Philosophien. Interessant dabei: Yoga drückt sich auch auf optischer Ebene durch eine eigene Symbolik aus. Wichtigster Vertreter davon ist das Om-Zeichen, das schon alleine durch Aussprechen Spiritualität fördern soll und als Symbol für spirituelle Kraft steht und somit wieder die Brücke zu Einigkeit und Nachhaltigkeit schließt. Damit ist Yoga weit mehr als eine Bewegungslehre, auch wenn dieser Aspekt für die meisten der rund 2,6 Millionen Yoga-ausübenden Deutschen im Vordergrund steht.

2. Yoga-Formen
Wie die meisten Bewegungen so hat auch Yoga verschiedenste Ausprägungen, die teilweise schon Jahrhunderte alt sind, aber sich ebenso auch aus den Booms der vergangenen Jahre entwickelten. Zu den traditionellen Formen, die sich hierzulande großer Beliebtheit erfreuen, gehören unter anderem:

  • Ashtanga: auch als „Power-Yoga“ bekannt, ist eine Variante für fortgeschrittene Yogi, denn sie ist nicht nur vergleichsweise rasant, sondern die körperbetonten Bewegungen erfordern auch eine hinreichende Kondition.
  • Bikram: wird auch als „Hot-Yoga“ gelehrt, denn die Übungen werden ausschließlich in auf mindestens 35°C geheizten Räumen absolviert. Durch die Wärme soll nicht nur das Risiko für Zerrungen sinken, sondern durch das Schwitzen auch der Körper entgiftet werden. Allerdings ist diese Form, wie weiter unten zu lesen sein wird, nicht frei von Kritik.
  • Hatha: ist im Westen mittlerweile die Einstiegsvariante des körperbetonten Yoga. Denn es enthält praktisch alle wichtigen Übungen, wird aber vergleichsweise langsam ausgeübt und eignet sich daher besonders für Beginner.
  • Kundalini: markiert mit seinen Übungen das Gegenteil der bislang genannten Varianten, denn es legt mit Atemübungen, Meditationen und Gesang vornehmlich Wert auf spirituell-meditative Aspekte.

Durch das Setzen von unterschiedlichen Schwerpunkten eignet sich damit jede Yoga-Art für andere Erkrankungen und Symptome und lässt somit einen zielgerichteten Einsatz als Therapieform zu. Allerdings: Yoga kann bei arthritischen Erkrankungen sowie Stoffwechselstörungen auch zu negativen Begleiterscheinungen führen, weshalb grundsätzlich vor Beginn ein Mediziner aufgesucht werden sollte.

3. Yoga als Bewegungstherapie
In seiner Rolle als Bewegungstherapie kommt vor allem zum Tragen, dass Yoga von Anbeginn auch als therapeutische Hilfe gedacht war, im Fachjargon als „Chikitsa Krama“ bekannt. Das bedeutet, Yoga kann generell bei allen möglichen Arten von Erkrankungen des Gelenk- und Muskelapparates zum Einsatz kommen. Ausgebildete Yoga-Lehrer, oft selbst Mediziner, erstellen in diesem Fall ein Trainingsprogramm, das genau auf die jeweiligen Krankheitsbilder aber auch persönliche Fähigkeiten und Einschränkungen der Patienten zugeschnitten ist. Damit hilft Yoga unter anderem bei:

  • Rheumatischen Problemen
  • Verstärkung der Beweglichkeit
  • Rehabilitationsmaßnahmen nach Eingriffen
  • Kräftigung des Herz-Kreislauf-Systems
  • Therapien im Bereich Motorik und Gleichgewichtssinn

Doch auch wenn Yoga durch die körperliche Anstrengung beispielsweise auch zur Behandlung von hohem Ruhepuls beitragen kann, ist es vor allem der orthopädische Hintergrund, der es bei einigen Fachärzten beliebt macht. Insbesondere nach operativen Eingriffen, etwa an Gelenken, kann Yoga zielgerichtet eingesetzt werden, um die ursprüngliche Beweglichkeit wieder herzustellen. Viele Krankenkassen haben den Wert von Yoga erkannt und bieten es auch als Präventionsmaßnahme gegen Zivilisationskrankheiten wie Rückenschmerzen an.

4. Yoga als kosmetische Übung
Von den eingangs genannten 2,6 Millionen Yogi übt nur ein vergleichsweise geringer Teil Yoga als therapeutische Sportart aus. Ein Großteil hat eher die positiven Begleiterscheinungen der Bewegung im Sinn, beispielsweise Straffung der Haut, Reduzierung von Fettgewebe und natürlich auch die in diesem Sinn gestiegene Beweglichkeit – wenn diese Effekte jedoch durch die Wahl von schlechtausgebildeten Yoga-Lehrern auch total ins Gegenteil verkehrt werden können, wie ein Artikel der Süddeutschen kritisiert. Besonders unter Beschuss: Bikram- oder Hot-Yoga: „Das ist nicht nur eine Strapaze, sondern auch gefährlich, denn der Schweiß kann in einem derart heißen Raum nicht verdunsten und die Haut kühlen.“

Daneben hat Yoga aber auch eine tatsächlich unbestrittene Wirkung auf den Stresslevel. Hier kommt bereits der spirituelle Gedanke zum Tragen: Die meditative Komponente des Yoga sorgt dafür, dass der Mensch sich nicht nur muskulär entspannt, sondern dies auch auf psychischer Ebene tut. Und was in diesem Fall bei den meisten einfach nur als Ausgleich zu einem stressigen Alltag gedacht ist, hat mittlerweile auch eine wissenschaftlich bewiesene Daseinsberechtigung in der Bekämpfung diverser Psychosen und anderer psychischer Erkrankungen.

5. Yoga als Psychotherapie

Aufgrund des mehrfach nachgewiesenen Nutzens von Yoga als Stresskiller befassten sich ein Team aus Wissenschaftlern und Psychologen von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena sowie dessen Universitätsklinikum jüngst mit 2600 Studien, die Yoga als Psychotherapie bewerteten. In der Meta-Analyse werteten die Wissenschaftler 25 Studien aus, wobei ein Kriterium dabei war, dass in der jeweiligen Studie ausschließlich das Hatha-Yoga und dessen Auswirkungen betrachtet wurden. 1300 Personen konnten die deutschen Wissenschaftler auf diese Weise vergleichen und kamen in der Veröffentlichung zu umfangreichen, aber eindeutigen Ergebnissen:

  • Yoga hat als niedrigschwelliger Therapieansatz eine breite Akzeptanz
  • Im Gegensatz zu pharmakologischen Therapien weist Yoga kaum Risiken oder Nebenwirkungen auf
  • Bei depressiven Symptomen zeigte integriertes (nicht sportbasierendes) Yoga signifikante Effekte gegenüber der Kontrollgruppe
  • Bei Schizophrenie wurden ebenfalls positive Effekte, wenn auch nicht so stark wie bei Depressionen, beobachtet.
  • Ebenfalls gute Ergebnisse wurden bei der Behandlung posttraumatischer Stressbelastung diagnostiziert.
  • Bei Schlaflosigkeit zeigte sich zwar ein geringer, aber ebenfalls deutlicher Ausschlag in Richtung der Yoga-Gruppen.
  • Auch bei Alkoholabhängigkeit sowie Binge-Eating-Störungen konnte Yoga den Probanden Linderung verschaffen.
  • Die Schwere der Störung kann die Wirksamkeit des Yogas beeinflussen.

Grundsätzlich fassten die Wissenschaftler am Ende der Studie zusammen: „Verglichen mit Sport und Aufmerksamkeitskontrolle zeigten sich kleine, signifikante Effekte von Yoga. Daneben sprechen die Befunde für eine gleichwertige Wirksamkeit von Yoga und psychotherapeutischer Standardbehandlung in komplementärem Einsatz mit einer medikamentösen Behandlung. Darüber hinaus zeigen andere Studien, dass die Wirksamkeit einer Kombination von Yoga und einer psychotherapeutischen Behandlung, zum Beispiel einer kognitiv-behavioralen Therapie, über die Einzeleffekte der Interventionen hinausgeht“.

In diesem Sinne liefert die Studie zumindest ein solides wissenschaftliches Fundament, auf dem zukünftig Mediziner ihre Forschungen aufbauen können. Jedoch merkten die Forscher ebenso an, dass die Ergebnisse noch nicht endgültig seien und weiterer Studien bedürfen.

Fazit
Yoga kann auf eine lange Geschichte als Heilmittel für diverse Krankheiten und deren Symptome zurückblicken. Jedoch sollten sich Menschen, die sich ausdrücklich für den medizinischen Nutzen interessieren, sich auch an in diese Richtung ausgebildete Mediziner wenden. Wer hingegen nur auf Ausgeglichenheit und körperliches Wohlbefinden Wert legt, kann dies auch in den qualifizierten Yogagruppen der Republik finden, die sich durch das BDY-Zertifikat auszeichnen.

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Markus Müller