Gesundheit nicht verramschen 07.09.2007 12:00 Uhr
Mit einer Auflage von einer Million Exemplaren informiert die Septemberausgabe der Zeitung für Apothekenkunden, "Die Apotheke hilft", erneut über verschiedene interessante Gesundheitsthemen.
Die Titelseite der Zeitung, die kostenlos von Apotheken an Patienten abgegeben wird, nimmt sich der Wertfrage im Gesundheitswesen an. Was ist uns unsere Gesundheit wert? Wie wirken sich die Entwicklungen in der Gesundheitspolitik auf den Patienten aus? Und welche Rolle spielt die Apotheke in diesem Zusammenhang? Der Beitrag verdeutlicht, wie der Sparkurs der Politik langsam aber stetig einen der wichtigsten Werte der Menschheit zerstört: Die Gesundheit.
APOTHEKEN SICHERN WERT DER GESUNDHEIT
Thomas Bellartz, Berlin.
Immer wieder entfacht in Deutschland und anderswo eine sogenannte Wertediskussion. Dann geht es um nicht weniger als die elementarsten Fragen einer Gesellschaft. Um deren politische, moralisch-ethische, strategische und natürlich auch um ihre ökonomische Ausrichtung. Solche Debatten sind das Bindemittel für das Fundament einer Gesellschaft.
Seit Jahren wird in Deutschland hinter vorgehaltener Hand eine Debatte über den Wert der Gesundheit geführt. Meistens nicht offen und weniger plakativ als die Formulierung des jungen CDU-Abgeordneten Philipp Mißfelder, der vor einigen Jahren forderte, man solle neue Hüftgelenke ab einer gewissen Altersgrenze nicht mehr auf Kassenkosten einsetzen. Der Sturm der Entrüstung war enorm. Zu Recht. Und doch hatte Mißfelder nur das ausgesprochen, was zwischen den Zeilen längst herauszulesen war. Er legte den Finger in eine Wunde, die längst aufgerissen war. Die zentrale Frage lautet: Was ist uns unsere Gesundheit wert?
Die Versorgung der Gesellschaft mit Arzneimitteln steht seit Jahren im Fokus politischer Diskussionen und Gesundheitsreformen. Im Zentrum finden sich fast ausschließlich ökonomische Aspekte. Es geht dann darum, dass die Arzneimittelversorgung zu teuer sei und billiger werden müsse. Dann wird schnell auf die Apotheke gezeigt. Denn dort kommen ja die Arzneimittel her; doch Apotheken verdienen seit Jahren immer weniger als Folge der Reformen. Das eigentliche Problem: Die Krankenkassen haben nicht genügend Mittel, um den wissenschaftlichen Fortschritt im Gesundheitswesen zu finanzieren. Die Gesellschaft ist noch nicht bereit, mehr in ihre Gesundheit zu investieren. Und: Wir werden immer älter, der demografische Faktor lässt grüßen. Es folgt: die Wertefrage.
Der Erfindungsgeist von Wissenschaftlern aber wird besonders dann angeregt, wenn es um die Gesundheit des Menschen, neben Familie und Frieden das höchste Gut und damit ein absoluter Wert an sich, geht. Die Forschung will diesem besonderen Wert gerecht werden und produziert immer neue, immer bessere Medikamente. Die Folgen: Krankheiten sind beherrschbarer, deutsche Frauen und Männer leben immer länger. Die Kosten dafür steigen.
So sehr die Wissenschaft also verstanden hat, was für die Menschen wichtig ist, so sehr fehlt die breite Akzeptanz bei den Menschen selbst. Das ist zusehends auch in der Apotheke spürbar. Krankenkassen und Politik sind auf einem fortwährenden Sparkurs; und dieser Kurs bildet sich ganz besonders bei Arzneimitteln und in der Apotheke ab. Das jüngste Beispiel sind die Rabattverträge zwischen den Herstellern von Generika und Krankenkassen. Die Verträge haben lediglich ein einziges Ziel: nämlich Geld einzusparen. Auch das sichert Werte. Aber ist in der Apotheke schwer zu vermitteln. Apothekenkunden bekommen nicht mehr ihr gewohntes Arzneimittel; das Apothekenteam kann nur noch bedingt helfen, wenigstens noch beraten und informieren. Plötzlich bestimmen andere, ob und wie der Patient in der Apotheke wahrgenommen und versorgt werden soll. Ein fataler Denkfehler.
Dabei ist die Apotheke an sich bereits seit vielen Jahren ein eigenständiger Wert. Die rund 21.500 deutschen Apotheken garantieren heute die wohl beste Arzneimittelversorgung der Welt. Geführt von selbstständigen Apothekerinnen und Apothekern sichern sie die Versorgung mit Medikamenten Tag für Tag, Nacht für Nacht, an Sonn- und Feiertagen.
Der eigentliche Wert der Apotheke erschließt sich aus der unbedingten Nähe zum Patienten und Kunden. Diese Nähe ergibt sich zum einen aus einem dichten Versorgungsnetz, aus verbraucherfreundlichen Öffnungszeiten, aus dem Nacht- und Notdienst und der hohen Quote bei Fort- und Weiterbildung, damit die Apothekenteams immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sind. Zentral aber sind die Unabhängigkeit und der hohe Grad der Verantwortung der Apothekeninhaber. Deshalb ist es wichtig, dass Patienten mit ihren Fragen rund um das Arzneimittel und viele andere Gesundheitsfragen einen möglichsten schnellen Zugang zur Apotheke haben. Und es ist wichtig, dies für die Gesundheitsversorgung besser stärker zu nutzen als aus rein ökonomischer Sicht in Frage zu stellen. Politik und Gesellschaft könnten die Chance nutzen.
GESUNDHEIT NICHT VERRAMSCHEN
Ein Kommentar von Thomas Bellartz
Unser Gesundheitswesen gerät in den Sog der "Geiz-ist-Geil"-Mentalität. Zahnersatz aus Bulgarien, Billig-Arznei aus Fernost, Botox im Sonderangebot, Happy Hour und Rabattschlachten in einigen Apotheken. Diejenigen Experten, die uns versichern, dieser Trend lasse sich nicht umkehren, haben den Wert von Gesundheit nicht verstanden. Natürlich wollen wir alle eine bestimmte Leistung für einen fairen Preis bekommen. Aber wenn Gesundheit ein so hohes Gut, ein so unvergleichlicher Wert ist, dann dürfen wir uns im Geist von "Geiz ist geil" nicht wundern, wenn unsere Arzneiversorgung und unsere Gesundheit so endet wie das mehrfach umverpackte Ekelfleisch in einer Supermarkttheke.
Ich jedenfalls will auch in Zukunft von erstklassig ausgebildetem Personal beraten werden. Auf Pillen aus dubiosen Quellen verzichte ich gern. Und ich will nicht, dass Konzerne bestimmen, welche Arzneien es im Sortiment gibt und welche nicht. Meine persönlichen Daten sollen auch in Zukunft nicht für Pharma- oder sonstiges Marketing missbraucht werden. "Geiz ist geil" ist für mich Betrug am Konsumenten -siehe giftiges Kinderspielzeug, modriges Gammelfleisch und vieles mehr.
Meine Gesundheit ist mir wichtig. Und auch wenn ich mich selbst noch immer nicht perfekt ernähre, mich nicht genug bewege und auch ansonsten mehr für mich und meine Gesundheit tun müsste: Im Krankheitsfall - und das ist der besondere Fall - will ich perfekt und optimal versorgt sein. Das Vertrauen in meinen Arzt ist elementar, ebenso wie zu wissen, dass meine Apotheke um die Ecke mich und meine Krankheit ernst nimmt. Nur das zählt.
Wenn Arzneimittel in supermarkt-ähnlicher Umgebung angeboten werden sollen, dann überkommt mich das Gefühl, ich solle zwar etwas billiger, dafür umso mehr einkaufen. Ich denke an die Lockvogelangebote von Massenmärkten, an Restposten und Abverkäufe. Und ich denke an die USA, in der die Menschen insgesamt gesundheitlich schlechter versorgt werden als hierzulande. Dabei sind die USA ein reiches Land. Aber was nutzt die 500er-Billigpackung Aspirin, wenn ich die nicht schlucken will oder muss? Untersuchungen haben hundertfach ergeben, dass Leute mehr kaufen und mehr konsumieren, wenn das Preissignal auf billig steht. Die Folgen sind katastrophal - und zwar für die Gesundheit wie für den Geldbeutel. Denn wo billig draufsteht, ist schließlich längst nicht immer billig drin.
Denn der außergewöhnliche Wert eines guten Arzneimittels ist, dass es hilft und dass es wirkt. Wo eine Wirkung, da eine Nebenwirkung. Ich jedenfalls will nicht, dass Arzneimittel verramscht werden. Es muss fair zugehen, und doch müssen wir dafür nicht bestehende Werte riskieren. Es ist wie im übrigen Leben: Billiger wird es immer gehen. Aber wenn es um Apotheke und meine Gesundheit geht, will ich von denen, die gerne behaupten, diese funktionierende Versorgung ändern zu wollen, eine Antwort auf die Frage: Kann es überhaupt besser werden?
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