NEUE ALLGEMEINE GESUNDHEITSZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND/ JUBILÄUMSAUSGABE APRIL 2012

Fünf Jahre ohne Kompromisse 03.04.2012 11:00 Uhr

Fünf Jahre lang hat die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland Monat für Monat Fehlentscheidungen in der Gesundheitspolitik und Missverhältnisse in der Gesundheitswirtschaft thematisiert, stets im Sinne des Versicherten und der Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Dabei hat sie kein Blatt vor den Mund genommen. Auch in Zukunft wird die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung diesem Konzept treu bleiben. In der Ausgabe April 2012 greift sie die Plünderung der Sozialkassen auf: Schon seit Jahren vergreift sich der Staat durch Belastung der Gesetzlichen Krankenversicherung mit versicherungsfremden Leistungen am Geld der gesetzlich Versicherten. Auch jetzt ist wieder Geld aus dem Gesundheitsfonds in Gefahr. Statt den Überschuss der gesetzlichen Krankenversicherung sinnvoll in unser Gesundheitswesen zu investieren oder ihn an die Versicherten auszuzahlen, könnte es diesmal um eine Plünderung der GKV zugunsten der Staatsverschuldung gehen. Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland fordert deshalb in ihrer Jubiläumsausgabe: „Hände weg vom Geld der Versicherten!“.

Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint seit April 2007 monatlich mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist für Endverbraucher kostenlos in Apotheken erhältlich. Auf acht Seiten thematisiert sie nicht nur gesundheitspolitische Themen, sondern widmet sich auch allgemeinen Themen rund um die Gesundheit der gesamten Familie inklusive einer Seite extra für Kinder.


HÄNDE WEG VOM GELD DER VERSICHERTEN!

Plündert der Staat den Gesundheitsfonds für den Schuldenabbau?

Plünderung ist eine üble Sache. Meistens folgt sie einem Krieg oder einer Naturkatastrophe. Im Dreißigjährigen Krieg wurden ganze Landstriche geplündert. Und das nicht nur einmal, sondern bei jedem Durchzug eines fremden Heeres aufs Neue. Doch auch das Heer des Landesherrn selbst war nicht zimperlich. Jahrzehnte brauchten die deutschen Lande, um sich von den Plünderungen zu erholen.

Doch so weit brauchen wir nicht zurückzugehen. Wer hat schon an die Wiedervereinigung Deutschlands geglaubt? Zwar gab es in der Bundesrepublik das „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen“, doch als es ernst wurde mit der Wiedervereinigung, war nichts da: keine Vision, kein Plan, und vor allen Dingen – kein Geld. Aber die Politik wusste damals schon: „Blühende Landschaften“ – die hatte Bundeskanzler Helmut Kohl den Bürgern im Osten Deutschlands versprochen – sind unendlich teuer. Woher also die vielen Milliarden nehmen?

Richtig, anständig und fair wäre es gewesen, die Kosten der Wiedervereinigung ausschließlich über Steuern zu finanzieren. Die hätten alle Bürger tragen müssen. Aber da hätte man den Menschen im Westen wie im Osten zeigen müssen, wie hoch der Preis der Einheit wirklich ist. Und das traute man sich denn doch nicht. Was lag also näher, als still und heimlich die Sozialkassen zu plündern?

Nun wird zwar Plünderung in Deutschland mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft, doch gilt das nicht für Regierungen und Abgeordnete. Dabei ist die Plünderung der Sozialkassen für die Wiedervereinigung nicht einmal neu oder originell gewesen. Seit Jahrzehnten beschließt die Politik ein soziales Gesetz nach dem anderen – die meisten davon sicher gerecht und vernünftig –, bedient sich aber bei der Finanzierung nicht aus dem Steueraufkommen, sondern plündert dafür das Geld der gesetzlich Versicherten. Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung – Endstationen eines heimlichen, gewaltigen Verschiebebahnhofs.

Versicherungen sind wichtig. Sie nehmen Beiträge ein und versichern Risiken aller Art. Meine Wohnung hat gebrannt? Die Feuerversicherung zahlt. Mein Auto ist aufgebrochen worden? Die Kfz-Versicherung zahlt. Ein Mensch ist durch meine Schuld zu Schaden gekommen? Die Haftpflichtversicherung zahlt. Für seinen Beitrag hat der Versicherte also den Anspruch auf eine Gegenleistung, sobald ein Versicherungsfall eintritt. Dabei zahlt die Feuerversicherung nicht für mein aufgebrochenes Auto und die Haftpflichtversicherung nicht für meinen Wohnungsbrand. Jeder Beitrag gilt für das Risiko, für das die Versicherung abgeschlossen ist.

Im Prinzip funktioniert so auch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), eine der größten Errungenschaften des 19. Jahrhunderts. Jedenfalls sollte sie so funktionieren. Für seine Krankenversicherungsbeiträge hat der Versicherte den Anspruch, dass ihm im Krankheitsfall geholfen wird. Nicht mehr und nicht weniger. Doch was haben die Regierungen in den letzten Jahrzehnten aus den Sozialversicherungen gemacht? Einen Selbstbedienungsladen für den Gesetzgeber. Und das ist ein Skandal.

Wieso Selbstbedienungsladen? „Den Sozialversicherungen wird von der Politik eine Vielzahl von Leistungen auferlegt, für die keine Äquivalenz zwischen Beitragszahlung und Leistung besteht, die aber teilweise durch Sozialbeiträge gedeckt werden müssen. Diese Fehlfinanzierung treibt die Beitragssätze hoch, erhöht die Lohnkosten der Arbeitgeber und reduziert die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Sachgerechter wäre es, solche Leistungen durch Steuern zu finanzieren ...“, schrieb das „Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW Berlin) in seinem Gutachten „Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung“ im März 2005. Dazu listete das DIW die ungerechtfertigten Belastungen der Beitragszahler auf. Alleine für das Jahr 2002 beliefen sie sich auf einen Betrag von 83,7 Milliarden Euro! Dabei war der Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 49,3 Milliarden Euro schon abgezogen. Beispiele für „versicherungsfremde Leistungen“ gibt es zuhauf: In der Rentenversicherung die Kriegsfolgelasten, die Frührenten und die Lasten der Wiedervereinigung, in der Krankenversicherung die beitragsfreie Mitversicherung von Angehörigen und das Mutterschaftsgeld und im Etat der Bundesanstalt für Arbeit etwa die Eingliederungsmaßnahmen und – auch hier – die Vereinigungslasten.

Für die Krankenversicherung alleine errechnete das DIW für das Jahr 2002 eine versicherungsfremde Belastung von 21,7 Milliarden Euro. Auch andere rechnen. Und fassen den Begriff „versicherungsfremde Leistungen“ noch weiter. Das Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung in Kiel kommt so auf mehr als 45 Milliarden pro Jahr. Die Differenz ist riesig. Höchste Zeit, dass die Politik endlich eine zweifelsfreie Definition erarbeitet und gesetzlich festlegt.

Die ständige Diskussion über die ungerechte Belastung der Beitragszahler mit gesamt- gesellschaftlichen Aufgaben und Ausgaben ist allerdings nicht ohne Wirkung geblieben. Auch die Vorstände der Krankenkassen, allen voran DAK-Chef Rebscher, monierten immer wieder die fatalen Auswirkungen der versicherungsfremden Belastungen auf das Finanzgefüge der Kassen. Und so rangen sich die Finanzpolitiker zu einem Kompromiss durch. Immerhin schießt der Staat in diesem Jahr rund 14 Milliarden Euro zu. Die fließen in den Gesundheitsfonds. Zu einer grundlegenden Reform konnte sich die Politik allerdings nicht durchringen. Die wäre dringend nötig. So ist und bleibt alles Stückwerk. Und die Zuschüsse sind permanent gefährdet.

Wie gefährdet sie sind, zeigen die letzten Monate. Da machte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) keinen Hehl daraus, dass er gerne das Geld der Beitragszahler hätte – ganz wie in alten Zeiten. Nur sollte es diesmal nicht in neue Gesetze fließen, sondern in die Schuldentilgung. Denn Deutschland soll sparen, zumindest nicht zu viele neue Schulden machen. Deshalb haben Bund und Länder eine „Schuldenbremse“ beschlossen. Die steht jetzt in der Verfassung und muss eingehalten werden. Kritiker meinen allerdings, sie sei nicht ernstgemeint. Denn gebremst wird im Bund nicht das Schuldenmachen an sich, sondern nur der Zuwachs an neuen Schulden. Und um den möglichst gering zu halten, sucht Schäuble seine Milliarden zusammen, wo er sie finden kann.

Im Gesundheitsfonds liegt auch ein weiterer Zuschuss von 2 Milliarden Euro. Der war gedacht für sozial schwache Beitragszahler, wenn deren Krankenkasse Zusatzbeiträge hätte erheben müssen. Hätte. Gekommen ist es nicht dazu. Die gute Konjunktur und die Zwangssparmaßnahmen für Arzneimittelhersteller, Apotheken und Großhandel haben soviel Geld in die Kassen gespült, dass Zusatzbeiträge in diesem Jahr kein Thema sind. Aber was ist morgen? Konjunkturen und Krisen wechseln einander erfahrungsgemäß ab.

Was wäre also einfacher, als sich die 2 Milliarden zurückzuholen? Oder den Zuschuss an die Gesetzliche Krankenversicherung wieder zu kürzen? Denn der Gesundheitsfonds ist voll. Und die Krankenkassen haben auch hohe Reserven. Zusammen liegen da 20 Milliarden auf der hohen Kante. Und Kasse macht sinnlich. Das beweisen gerade die wilden Spekulationen der Politik darüber, was man alles mit diesem Geld machen könnte. Nicht wenige Politiker sind für eine Senkung der Beitragssätze. Die Krankenkassen wollen das Geld am liebsten für schlechte Zeiten bunkern. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kämpft dafür, dass die Krankenkassen, die es finanziell verkraften können, Rückzahlungen an die Versicherten leisten. Dreißig Kassen könnten damit etwa 8 Millionen Versicherte beglücken.

Doch Bahr kämpft auch noch an einer anderen Front. Er muss sich mit Finanzminister Wolfgang Schäuble herumschlagen. Und er ist fest entschlossen, den Bundeszuschuss zu verteidigen. „Der Bundeszuschuss darf nicht in Frage gestellt werden. Es darf nicht von der Haushaltslage abhängen, wie die versicherungsfremden Leistungen zu finanzieren sind“, sagte Bahr in einem Interview der Tageszeitung „Passauer Neue Presse“. Seit Wochen wird zwischen den Ministerien verhandelt. Es sieht so aus, als könne der Gesundheitsminister diesen Kampf für sich entscheiden – und für die Versicherten.

Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen sind außen vor. Ob Krankenhäuser, Ärzte, Apotheken, der pharmazeutische Großhandel oder Pharmahersteller – sie werden weiterhin zur Kasse gebeten oder kurz gehalten.

Und an die Patienten und ihre Bedürfnisse scheint sowieso niemand zu denken. Leistungsverbesserungen stehen in keinem Programm.


WER SONST?

Ein Kommentar der Redaktion

Am 1. April 2012 feiert die „Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland“ Geburtstag. Fünf Jahre wird sie alt. Im Leben eines Menschen ist das nicht viel. Da bereitet sich das Kindergartenkind gerade erst auf die Grundschule vor.

Im Leben einer Zeitung sind fünf Jahre eine lange Zeit. Viele neue Blätter schaffen es gar nicht erst bis zum fünften Geburtstag. Nicht so Ihre Gesundheitszeitung. Sie darf feiern. Und sie dankt Ihnen als treuem Leser, der das möglich gemacht hat.

Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung wird die Politik auch in Zukunft kompromisslos daran erinnern, dass das Gesundheitswesen kein Spielplatz für Möchtegern-Reformer ist.