Immer noch ist die wissenschaftliche Beweislage in Bezug auf die therapeutische Wirkung von Cannabinoiden in der Schmerz- und Palliativmedizin umstritten. Dabei ist die Urteilung über unzureichende Evidenz nicht zielführend. Viel wichtiger ist es, neue, ganzheitliche Ansätze zu schaffen, um unerfahrenen Ärztinnen und Ärzten den Erkenntnisgewinn aus langjähriger Praxis näherzubringen und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten zu steigern und zu erhalten. Einen Ausblick zu erweiterten evidenzbasierten Ansätzen und den besonderen Bedingungen bei der Durchführung von Studien mit hohem Evidenzniveau, gaben Referentin Angelika Hilker, Fachärztin für Anästhesiologie und Fachärztin für Allgemeinmedizin, sowie Prof. Dr. Roman Rolke, Direktor der Klinik für Palliativmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, auf dem diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtag.
Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) gelten in der evidenzbasierten Medizin seit langem als der Goldstandard der Beweisführung. Basierend auf systematischen Reviews (SR) mit quantitativer Analyse (Metaanalysen) von RCTs werden mögliche Indikationen sowie die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabinoiden in der Schmerz- und Palliativmedizin identifiziert und untersucht. Unter dem Motto des diesjährigen Schmerz- und Palliativtages „Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret“ appelliert Angelika Hilker, Bochum, in ihrem Vortrag dafür, die Evidenzlage in Bezug auf Cannabis-basierte Arzneimittel (CAMs) mit ganzheitlichem therapeutischem Fokus zu betrachten. In Hinblick auf CAMs wurden bis zum heutigen Zeitpunkt insgesamt 60 RCTs einbezogen, wovon allerdings nur 36 Studien die Einschlusskriterien erfüllten.1,2 Das Hauptproblem bestehe vor allem darin, dass sich die Studien in Populationsgröße, Charakteristika (z. B. chronische vs. neuropathische Schmerzen), verabreichten CAMs (pflanzlich vs. synthetisch), Dosierung, THC- und CBD-Verhältnis, Darreichungsform, Behandlungsdauer und primären Endpunkten stark unterscheiden.
Für die Bewertung ganzheitlicher Interventionen sei es allerdings wichtig, künftig nicht nur einzelne Parameter wie die Schmerzreduktion alleine, sondern auch schmerzassoziierte Symptome wie Depressionen, Stress, Schlafstörungen, Angstzustände und die generelle Lebensqualität zu betrachten, so Hilker. Einen Lösungsansatz zur methodischen, ganzheitlichen Bewertung von CAMs könnte ein zirkuläres Modell bieten. Im Gegensatz zur Evidenzhierarchie beinhalte dies eine Vielzahl von Methoden mit unterschiedlichen Designs, die ihre individuellen Stärken und Schwächen ausgleichen, um einen umfangreichen Erkenntnisgewinn zu erlangen und klinische Innovationen voranzutreiben. Der therapeutische Fokus läge hierbei nicht nur auf der einzelnen Indikation, sondern berücksichtige auch die psychovegetativen Störungen und die Einschränkung der Lebensqualität. Auch die großangelegte „Tilray Observational Patient Study“ mit über 1100 Patienten hat gezeigt, dass sich durch den Einsatz von CAMs die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten signifikant verbesserte und zudem die Anzahl und Dosierung von Begleitmedikamenten wie Nicht-Opioide, Antidepressiva und Benzodiazepine deutlich reduziert werden konnte. Insbesondere die Opioid-Dosis innerhalb der Schmerztherapie konnte um 78% signifikant reduziert – und teilweise sogar ganz beendet werden.3
Dazu betonte die Referentin, dass sowohl die Canadian Pain Society, die EFIC (European Pain Federation) sowie die Deutsche Schmerzgesellschaft als Behandlungsoption der 3. Linie Cannabis-basierte Arzneimittel für chronisch neuropathische Schmerzen empfehlen.
Besondere Bedingungen und ganzheitlicher Fokus in der Palliativversorgung
Seit Inkrafttreten des „Cannabis als Medizin“-Gesetzes im Jahr 2017 stehen Behandlerinnen und Behandlern in Deutschland Cannabisblüten und Cannabis-basierte Arzneimittel wie Vollspektrumextrakte als zusätzlicher Baustein in der multimodalen Schmerztherapie zur Verfügung. Als „etablierte“ Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente werden chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen, Spastik bei multipler Sklerose und schmerzhafte Spastik, sowie Anorexie/Wasting und Übelkeit/Erbrechen aufgeführt.4 Und dieser Einsatz ist erfolgsversprechend: In nahezu 75% aller Fälle konnte die Symptomatik – und in 70% sogar die Lebensqualität – der Probanden verbessert werden, erklärt Prof. Dr. Roman Rolke, Aachen. Allerdings liege bislang keine qualitativ hochwertige Evidenz für die Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in der Palliativversorgung vor.
Zudem ziele der derzeitige Anspruch im Bereich evidenzbasierter Medizin auf Placebo-kontrollierte RCTs. Das Problem: Im Rahmen der Placebo-Wirkung werden exogene gegen endogene Cannabinoide getestet. Jedoch konnte nachgewiesen werden, dass der CB1-R-Antagonist Rimonabant bei einer nicht-opioiden Präkonditionierung die Placebo-Antwort hemmt.5 Um die Evidenzbasis zu erweitern, wären weitere Studien mit höheren Patientenzahlen notwendig, die auch die „Quality of Life“ (Lebensqualität) mit einbeziehen. Dies sei laut Prof. Dr. Rolke in Anbetracht der besonderen Bedingungen innerhalb der Palliativmedizin jedoch schwer zu erreichen. So eignen sich Skalen zur Schmerzintensität beispielsweise nur begrenzt dafür, die positiven Effekte von CAMs zu erfassen. Außerdem erzielen Cannabinoide bei mehreren Symptomen gleichzeitig positive Effekte. Aufgrund dessen sei es unerlässlich, Erkenntnisgewinne und langjährige Praxiserfahrungen auch künftig zugänglich zu machen, so Prof. Dr. Rolke. Damit sollen in Zukunft auch palliativmedizinisch mehr Patientinnen und Patienten von den vielversprechenden Behandlungsoptionen mit medizinischem Cannabis profitieren können.
Über Tilray®
Tilray® ist eines der weltweit führenden Unternehmen bei der Erforschung, Herstellung und dem Vertrieb von Medizinalcannabis. Dabei kann Tilray auf die Erfahrung mit über 70.000 behandelten Patienten in zwanzig Ländern auf fünf Kontinenten zurückgreifen. Weitere Information finden Sie auch auf www.tilraymedical.de
1 Eisenberg, Elon et al. “Medicinal cannabis for chronic pain: The bermuda triangle of low-quality studies, countless meta-analyses and conflicting recommendations.” European journal of pain vol. 26,6 (2022): 1183-1185. doi:10.1002/ejp.1946.
2 Fisher, E., Moore, R. A., Fogarty, A. E., Finn, D. P., Finnerup, N. B., Gilron, I., Haroutounian, S., Krane, E., Rice, A. S. C., Rowbotham, M., Wallace, M., & Eccleston, C. (2021). Cannabinoids, cannabis, and cannabis-based medicine for pain management: A systematic review of randomised controlled trials. Pain, 162(Suppl 1), S45–S66. doi.org/10.1097/j.pain. 1929. PMID: 32804836.
3 Lucas P, Boyd S, Milloy MJ, Walsh Z. Cannabis Significantly Reduces the Use of Prescription Opioids and Improves Quality of Life in Authorized Patients: Results of a Large Prospective Study. Pain Med. 2021;22(3):727-739. doi:10.1093/pm/pnaa396 “Tilray Observational Patient Study“.
4 Abschussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln auf www.bfarm.de.
5 Benedetti, F., Amanzio, M., Rosato, R., & Blanchard, C. (2011). Nonopioid placebo analgesia is mediated by CB1 cannabinoid receptors. Nature medicine, 17(10), 1228-1230.
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