Pressemitteilung

Patient statt Bürokratie 26.06.2014 09:35 Uhr

Das Vorgehen gegen Null-Retaxation ist rechtlich ausgereizt – sowohl das Bundessozialgericht als auch das Verfassungsgericht gaben den klagenden Apothekern einen Korb. Nur die Politik kann sie noch retten. Das ist auch nötig, meint der BVDAK-Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann.

Bereits vor rund einem Jahr entschied das Bundessozialgericht (BSG), dass Apotheker ihren Erstattungsanspruch komplett verlieren, wenn sie Rabattverträge nicht beachten. „Den Apotheker trifft die Pflicht, ordnungsgemäß vertragsärztlich verordnete Arzneimittel nur im Rahmen seiner Lieferberechtigung an Versicherte abzugeben. Verletzt er diese Pflicht, ist dies sein Risiko: Die Krankenkasse muss für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben nichts zahlen,“ steht in der Urteilsbegründung des BSG. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) wiederum nahm die Beschwerde gegen dieses Urteil nicht an.

Dem Argument der Apotheker, dass die pauschale Null-Retaxation nicht erforderlich sei, weil es mildere und differenziertere Mittel gebe, um Abgabevorschriften durchzusetzen, folgten die Verfassungsrichter nicht. Die Richter verwiesen sogar auf die erzieherische Wirkung der Null-Retaxation auf den Apotheker: Die Null-Retaxation zeige wegen der weitergehenden Nachteile für die Apotheker stärkere Wirkung für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Übermäßige Strenge war bei Erziehungsfragen allerdings noch nie der beste Weg. Und immerhin handelt es sich bei approbierten Apothekern um Erwachsene.

Kein Wunder, dass die Urteilsbegründung bei der Apothekerschaft extrem schlecht ankommt. Ebenfalls für Unmut sorgt der Umstand, dass die Apotheker von der Gesetzgebung dazu angehalten werden Verträge einzuhalten, die sie gar nicht kennen. Die Rabattverträge bleiben das Geheimnis der Krankenkassen und so kann keiner den tatsächlich entstandenen Verlust bei deren Nicht-Einhaltung beziffern.

Der Apotheker sitzt mal wieder zwischen den Stühlen – und zwar in diesem Fall zwischen dem Arzt und der Krankenkasse. Stellt der Arzt ein falsches, unvollständiges oder uneindeutiges Rezept aus oder ist es gar gefälscht, muss der Apotheker dies immer und zu jedem Zeitpunkt sofort erkennen und einschreiten. Ausnahmen wie der Fall, dass ein Patient auf ein Fax des Arztes hin am 23. Dezember dringend zu versorgen ist und das Rezept erst nachträglich am 10. Januar ausgestellt wird, wird juristisch abgelehnt. Stattdessen soll der Apotheker bei Unsicherheit schnell dem Patienten eine Kostenabtretung vorlegen. „Es wird der Tag kommen, an dem der Apotheker keine Rezepte mehr bei der Krankenkasse einreicht, sondern ganze Dokumentationsordner,“ so Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des BVDAK e.V. „Wir Deutschen waren schon immer Meister darin, Dinge unter dem Vorwand der Einzelfallgerechtigkeit kompliziert zu machen.“

Nun kann es nur noch die Politik richten. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich sagte auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands in Berlin, die Apotheker könnten sich darauf verlassen, dass die große Koalition die Null-Retaxation verbieten will, „vielleicht sogar noch in diesem Jahr“. Jetzt können die Apotheker hoffen, dass es sich hier nicht um bloße Worthülsen handelt und nur Wahlkampfgerede war. Bislang haben sich die Wolken jedenfalls noch nicht verzogen, die Krankenkassen retaxieren munter weiter. „So lange hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, unterstützen wir unsere Apotheker so gut wie möglich, alle Vorschriften einzuhalten und die Bürokratie im Griff zu behalten. Für uns steht der Patient im Vordergrund und nicht die Bürokratie. Daher hoffen wir, dass die Daumenschrauben für die Apotheker in absehbarer Zeit gelöst werden,“ so Dr. Hartmann.