Pressemitteilung

Apotheker: Katastrophale Fehlplanung bei Impfstoffverteilung 11.11.2009 09:00 Uhr

Von einer flächendeckenden, bedarfsgerechten Versorgung ist man zumindest in Bayern meilenweit entfernt. Weder Apothekerschaft noch die pharmazeutischen Großhandlungen waren offenbar in die geheime Verteilungs-Strategie eingeweiht geschweige denn, wurden sie gefragt, was der beste Weg sei. Weshalb wir von dem ursprünglichen Ziel, den Menschen in allen Regionen die Impfung zu ermöglichen, meilenweit entfernt sind.

Bereits am Montag, den 26. Oktober, hätte mit der flächendeckenden Impfung auch in Bayern begonnen werden sollen. Doch die Impfdosen waren zu diesem Zeitpunkt in Bayern noch nicht lieferbar. Ärzte bemühten sich verzweifelt um die Beschaffung des Impfstoffes, doch Nachfragen bei diversen Apotheken endeten erfolglos. Auch die Gesundheitsämter wurden alleine gelassen und wussten nicht Bescheid.

Was einen triftigen Grund hatte. Erst am Donnerstag Abend, den 22. Oktober, erfuhren wir per Fax, dass der Impfstoff nur in Dosen zu 500 Einheiten und nur auf Bezugsschein, wie in der ehemaligen DDR, ab Montag, 26. Oktober zur Auslieferung über den Pharmazeutischen Großhandel bereit gestellt sein sollte. Kosten: 5.003,95 Euro brutto. Tatsächlich begann die Auslieferung aber erst am Dienstag, den 27.Oktober über erste Großhandlungen.

Als Apothekeninhaber und Initiator einer Apothekenkooperation erhielt auch ich drei dieser Bezugsscheine. Bei genauem Durchlesen stellte sich heraus, dass keinerlei Möglichkeit bestand, einen Teil der 500 Impfdosen, die für kleinere Apotheken einfach zu groß sind, abzugeben, bzw. gab es auch kein Rückgaberecht der zu viel bezogenen Dosen. Nur wenige Apotheken sind zunächst auf dieses Risikogeschäft eingegangen, wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Bedarf bei unter 70 Impfdosen pro Apotheke lag und liegt.

Eine unserer Mitgliedskooperationen versuchte, ebenso wie die Bayerische Landesapothekenkammer und der Bay.Apothekerverband zu retten, was zu retten war. Die Idee der Kooperation war, dass eine leistungsfähige Apotheke als Zentrale fungiert und die Mitgliedsapotheken im Westen Münchens beliefert. Eine Weitergabe des Bezugsscheins zwecks Warenbeschaffung an andere Apotheken war aber strikt ausgeschlossen, sodass besagte Apothekenkooperation die Bezugsscheine der Mitgliedsapotheken treuhänderisch verwalten ließ und lässt.

Ich selbst verfügte über drei Bezugsscheine, also insgesamt 1500 Impfdosen - der Durchschnittsbedarf einer Einzelapotheke lag und liegt nach wie vor bei unter 7 x 10 (also unter 70 von 500) Impfdosen. Zudem erklärte ich mich bereit, Mitarbeiter meiner Apotheken für die Konfektionierung / Auslieferung abzustellen, bei momentan kompletter Kostenübernahme.

Durch diese Vorgehensweise gelang es uns, die 20 Apotheken und deren angeschlossenen Ärzten, die aus unserer Apothekenkooperation Bedarf angemeldet hatten, innerhalb des ersten Tages bedarfsgerecht, unbürokratisch und kollegial zu versorgen.
Am Donnerstag, 29. Oktober, teilten unsere beiden Großhändler in München mit, dass kein Schweinegrippen-Impfstoff mehr vorrätig ist.

Ein Großhändler mit ca. 550 Kunden hatte nur 20 Packungen (20 x 500 Impfdosen) erhalten. Diese waren alle umgehend vergriffen. Wann es Nachschub geben sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.

Am Freitag, 30. Oktober, gab es dann eine zunächst inoffizielle Information aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium, dass sich die „politische Spitze unseres Hauses“ dahingehend geeinigt habe, den Einkaufspreis für die Impfdosen für Apotheken auf Null zu setzen. Mittlerweile ist diese Information offiziell.

Damit begann der Run derjenigen Apotheken auf die Impfdosen, denen 5.000 € zu risikobehaftet waren, die aber nur vielleicht einen Bedarf von 20 Impfdosen hatten. Wir laufen damit derzeit Gefahr, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Impfdosen in den Schubladen verschwindet oder über andere Kanäle wieder angeboten wird.

Nachprüfbare Bestandsmeldungen aus den Apotheken gibt es keine. Nur durch kooperierende, untereinander vernetzte und uneigennützig handelnde Apotheken ließe sich dieses zunehmende Chaos verhindern. Von einfacher Mangelverwaltung kann hier längst nicht mehr die Rede sein.

Bis Freitag, den 6.11.2009 konnten wir über besagte Kooperations-Apotheke knapp 80 Bestellungen von Kollegen, also mittlerweile auch Nicht-Mitgliedsapotheken, unbürokratisch und bedarfsgerecht beliefert bzw. vorgemerkt werden. Dies dürfte für Bayern einzigartig sein.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich diese unprofessionell und chaotisch vorbereitete Versorgung die alte Bundesregierung auf die Fahne schreiben muss.

Nun bleibt zu hoffen, dass die neue Riege der verantwortlichen Gesundheitspolitiker sorgfältiger mit der Gesundheit ihrer Bürger umgehen wird und bei künftigen Entscheidungen die Vorzüge des derzeitigen Distributionssystems weiter stärkt, anstatt es zu schwächen. Hätte man uns Apotheker und die pharmazeutischen Großhandlungen in die Entscheidungen frühzeitig einbezogen, wäre dieses Chaos nicht passiert.

Dr. Stefan Hartmann
Vorsitzender des BVDAK e.V.
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