Jeder 6. Kunde einer bayerischen Apotheke ist von einer Wechselwirkung seiner Arzneimittel betroffen. Bei jedem 200. Kunden kann diese sogar lebensbedrohlich sein. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die BA KlinPharm - Bayerische Akademie für Klinische Pharmazie im Sommer 2011 in Bayern durchgeführt hat. „Die positive Nachricht ist jedoch, dass der weitaus größte Anteil dieser Wechselwirkungen durch ein persönliches Gespräch direkt in der Apotheke gelöst werden kann“, sagt Dr. Sonja Mayer, Wissenschaftliche Leiterin der Studie und Geschäftsführerin der BA KlinPharm.
Im Rahmen der Studie dokumentierten knapp 100 bayerische Apotheken im Juli 2011 je 100 aufeinanderfolgende Kundenkontakte. Die beteiligten Apotheken und die BA KlinPharm sammelten und analysierten insgesamt rund 24.000 Daten von fast 21.000 Apothekenkunden. „Bei einer Interaktion können die Medikamente ihre Wirkungen oder Nebenwirkungen wechselseitig verstärken, aber auch abschwächen“, erklärt Mayer. „Das Risiko einer Wechselwirkung steigt mit der Zahl gleichzeitig eingenommener Medikamente, dem Alter der Patienten und der Zahl der beteiligten Ärzte und Apotheker.“
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Bei jedem 6. Kunden kommt es zu Wechselwirkungen. Bei jedem 8. Betroffenen sind Arzneimittel der Selbstmedikation beteiligt. Die häufigsten Problemgruppen sind Schmerzmittel, Mineralstoff-Präparate, Blutdruckmittel und Antidepressiva. So kann zum Beispiel der Stimmungsaufheller Johanniskraut die Wirkung der Anti-Baby-Pille vermindern. Mineralstoff-Präparate können die Wirkung bestimmter Antibiotika aufheben. Insgesamt machen 14 Arzneimittel-Kombinationen über 50 Prozent aller dokumentierten Interaktionen aus. Mayer: „Wir werten dieses Ergebnis als positiv. Es zeigt, dass Wechselwirkungen im Apothekenalltag häufig vorhersehbar und damit vermeidbar sind.“ Über 870.000 Interaktionen stuften die Wissenschaftler der BA KlinPharm als schwerwiegend ein. „Das bedeutet, dass die gleichzeitige Einnahme der Medikamente kontraindiziert ist, sich also ausschließt und damit für den Patienten lebensbedrohlich sein kann“, sagt Mayer. Statistisch gesehen, deckt jede Apotheke in Bayern einmal täglich eine solche gefährliche Wechselwirkung auf.
Ein positives Ergebnis der Studie ist, dass 82 Prozent der dokumentierten Wechselwirkungen bereits durch ein Beratungsgespräch in der Apotheke geklärt werden konnten. In 8 Prozent der Fälle half der Apotheker dem Patienten durch eine sofortige Rücksprache mit dem Arzt weiter. „Die Studie macht deutlich, wie wichtig die persönliche Beratung beim Arzneimittelkauf ist – auch wenn es sich um vermeintlich harmlose Medikamente handelt“, sagt Ulrich Koczian, Sprecher der BA KlinPharm und Vizepräsident der Bayerischen Landesapothekerkammer. „Gerade Patienten, die erstmalig ein bestimmtes Arzneimittel anwenden, sollten sich in der Apotheke informieren, ob besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind. Bayerns Apotheke nehmen die Ergebnisse unserer Studie sehr ernst und starten dazu eine Aufklärungsaktion!“ Im Januar und Februar 2012 hängen in vielen bayerischen Apotheken Plakate, die auf Wechselwirkungen aufmerksam machen. Zudem fordern die Apotheken ihre Patienten aktiv auf, sich zu dem Thema beraten zu lassen.