Versicherung

Wenn der Apotheken-Kühlschrank ausfällt

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Berlin -

Versicherungsunterlagen sind die Stiefkinder der Apotheken-Buchhaltung: Meist weiß man zwar, wo sie abgelegt sind, aber Details zum Inhalt könnte man spontan nicht nennen. Im Schadensfall bereut man diese Laissez faire-Haltung. In einer Apotheke gibt es viele Risiken – vom geklauten Rezept bis zur defekten Automatiktür. Wo lauern die Fallstricke und wie sollte die Apothekenversicherung abdecken?

Ein Brand kann die Existenz binnen weniger Stunden vernichten. Zum Schock kommt bei Unterversicherung dann auch die Angst vor der Zukunft. Der Berliner Versicherungsmakler Michael Jeinsen hat sich auf Apotheken spezialisiert und betreut derzeit rund 160 Unternehmen. Er kennt die Fallstricke, die von einer mangelhaften Versicherung ausgehen. Und er weiß, wie man mit relativ wenig Aufwand seine Versicherungsunterlagen optimieren kann.

Ein Beispiel, an das viele erst denken, wenn der Ernstfall eintritt: „Wenn die automatische Eingangstür einer Apotheke streikt und repariert werden muss, wird der Apotheker schnell mit Kosten im mittleren vierstelligen Bereich konfrontiert. Zu Defekten kommt es oft nach einem versuchten Einbruch“, sagt der Experte. „Oft sind die Versicherungsunterlagen so alt wie die Apotheke“, berichtet er aus der Praxis. „Wird ein Unternehmen verkauft, übernimmt der Neubesitzer oft ohne jegliche Prüfung automatisch auch die Versicherungsunterlagen.“

Weil es so praktisch ist. Dieses Verhalten bereut man spätestens, wenn der Schadensfall eintritt und man entsetzt feststellt, dass man für den betreffenden Schadensfall entweder unterversichert oder, noch schlimmer, gar nicht versichert ist. Wenn die automatische Tür kaputt ist und der Vertrag vielleicht noch aus den 1960er-Jahren stammt, leuchtet es jedem ein, dass die neue Tür nicht mitversichert sein kann. Aber dann ist es meistens zu spät.

Ein klassisches Beispiel aus Jeinsens Alltag: Am Freitagabend sieht das Unternehmen noch perfekt aus – am Montag morgen ruft die Apothekerin verzweifelt bei ihrem Versicherungsmakler an. Der Kühlschrank ist übers Wochenende ausgefallen. Das hat natürlich niemand bemerkt, weil niemand da war. Wer Michael Jeinsen beauftragt, erhält einen peniblen Check sämtlicher Versicherungsunterlagen. Und die ersten Fragen zum Thema Kühlschrank lauten: „Ist der Kühlschrankinhalt überhaupt versichert – und wenn ja, gegen welche Gefahren? Wie viele Euro sind versichert? Wie viel Warenwert enthält der Kühlschrank maximal?“

„Die Anforderungen an eine apothekengerechte Versicherung ändern sich oft“, sagt er und rät zu einem Check im Jahres-Rhythmus. Eines der Angstwörter für Nicht-Experten ist immer die Unterversicherung. Damit ködern nicht ganz so koschere Versicherungsmakler ihre Kunden und verleiten sie gelegentlich zur Überversicherung – letztlich auch ein finanzielles Risiko.

„Obwohl die Zeitwertregel auch vorher schon in den Bedingungen niedergelegt war, konnten Versicherungsnehmer bis ins Jahr 2000 darauf vertrauen, dass alle im Gebrauch befindlichen und ordnungsgemäß gewarteten Betriebseinrichtungen stets zum aktuellen Neuwert ersetzt wurden. Denn bis zu diesem Zeitpunkt fand die sogenannte ‚Goldene Regel‘ Anwendung, die fast alle Mitglieder des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft einvernehmlich anerkannt haben“, erläutert Jeinsen. Der Fallstrick: „Der GDV hat diese Empfehlungen im Folgejahr wieder zurückgezogen, weil viele Gesellschaften das Risiko nicht mehr tragen wollten. Ist also ein Apothekeninhalt zu Bedingungen ab 2001 zum Neuwert versichert, so muss das trotzdem nicht für Inhalte gelten, deren Zeitwert unter 40 Prozent gesunken ist.“

Im Schadensfall ist die Unterversicherungsklausel eine knifflige Angelegenheit. „Diese Klausel beziehungsweise die damit zusammenhängenden Mitwirkungspflichten stellen die meisten Apotheken vor große Probleme. Während eine Auflistung aller defekten oder abhanden gekommener Dinge leicht erstellt werden kann, gestaltet sich die Auflistung aller heilen und vorhandenen Sachen erfahrungsgemäß sehr schwierig. Viele Apotheken haben das Inventar vom Vorbesitzer übernommen, die Anschaffungsbelege für zum Beispiel älteres Laborgerät sind häufig nicht mehr aufzufinden. Somit sind die Inventarwerte meist, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand zu dokumentieren.“ In diesen Fällen muss ein externer Schätzer beauftragt werden.

Auch die Versicherung des Warenlagers ist im Schadensfall oft problematisch. „Der Wert des Warenlagers ist zwar problemlos zu ermitteln, doch sein bestand unterliegt im Jahresverlauf erheblichen Schwankungen“, erklärt der Berliner Versicherungsexperte. „Üblicherweise beträgt der Lagerwert in kleineren Apotheken mindestens 40.000 bis 60.000 Euro. Rollt eine Grippewelle an, kann der Wert sich schnell verdoppeln.“ Und dann geht im Schadensfall der Ärger los, denn dann besteht Unterversicherung.

Auch Betriebsunterbrechung (BU) ist für Apotheken ein wichtiges Thema. Kaum eine andere Branche muss ihr Geschäft im Schadensfall häufiger und länger schließen als eine Apotheke. Der Pharmazierat muss eine erfolgreiche Wiedereröffnungsrevision durchführen, alle Hygiene- und Lageranforderungen müssen gemäß Apothekenrecht erfüllt sein. Das braucht Zeit. „Ein solches Schadenereignis kann das finanzielle Aus für den Apotheker bedeuten“, weiß Jeinsen. „Üblicherweise findet sich in bestehenden Inhaltsversicherungen jedoch der Einschluss einer ‚kleinen BU‘, die den Rohertrag bis zur maximalen Versicherungssumme von einer Million Euro versichert. Jeinsen rät zur sogenannten „großen BU“ und erklärt: „Hier hat sich bei Apotheken ein Richtwert von rund einem Drittel des Jahresumsatzes bewährt.“

Die sogenannte Pharmazieratklausel gibt es in zwei Kategorien. „Unter der Überschrift ‚Gutachterverfahren‘ ist sinngemäß folgende Vorgehensweise festgeschrieben: Versicherer und Apotheker benennen je einen Gutachter. Diese bestimmen einen Obmann, der verbindlich über die Schadensregulierung entscheidet“, erklärt Jeinsen. Er hält dieses Verfahren nicht für angemessen: „Das Verhandlungsziel einer guten Versicherung lautet aus meiner Sicht: Es gilt das Votum des Pharmazierates. Basta.“

Die zweite Pharmazierratklausel regelt den Schadensfall, der eintritt, wenn die Wiedereröffnungsrevision scheitert, weil die Handwerkerarbeiten nicht zur Zufriedenheit des Pharmazierates ausgeführt wurden. Dann nämlich bleibt die Apotheke noch länger als befürchtet geschlossen. Jeinsen rät: „Apotheker sollten bei handwerklichen Sanierungsarbeiten nach Wasser- und Feuerschäden unbedingt auf die Erfüllung aller Auflagen gemäß DIN EN ISO 9001 bestehen und sich die Übernahme der damit verbundenen Mehrkosten vom Versicherer schriftlich bestätigen lassen.“

Der Begriff „erweiterte Außenversicherung“ sagt vielen Nicht-Profis vermutlich wenig. Jeinsen erklärt die Sachlage: „Grundsätzlich sind Waren dann in der Außenversicherung mit versichert, wenn sie vorübergehend – das bedeutet meist längstens drei Monate – nicht an ihrem eigentlichen Standort sind.“ Apotheken brauchen eine erweiterte Definition, denn ihre aushäusigen Waren sind meist Impfstoffe, die zum Beispiel in einer Kinderarztpraxis vorgehalten werden. Auch verblisterte oder gestellte Medikamente für die Heimbelieferung zählen dazu. „Diese Ware kommt nicht wieder, sondern wird in Arztpraxen oder Pflegeeinrichtungen aufgebraucht. Deshalb muss die Außenversicherung auf Stellen und Verblistern sowie Praxen- und Hausbelieferung erweitert werden.“

Weitere wichtige Checkpunkte in bestehenden Verträgen sind die Feuerhaftung, die AMG-Deckung/Herstellerhaftpflicht und die Rechtsschutzversicherung. Bei der Feuerhaftung muss darauf geachtet werden, dass sie in den Versicherungsschutz der Betriebs- und Umwelthaftpflicht eingeschlossen ist. Manchmal geht das nur mit einer Zusatzprämie.

Rezepturen sind in jeder Betriebshaftpflicht eingeschlossen, Defekturen jedoch nicht. „Bei Defekturen bringt der Apotheker als pharmazeutischer Unternehmer Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr“, sagt der Experte, „dies ist laut Arzneimittelgesetz verpflichtend mit einer ergänzenden Herstellerhaftpflicht, der sogenannten AMG-Deckung, abzusichern.“

In Sachen Rechtsschutzversicherung empfiehlt Jeinsen eine Kombination aus beruflicher und privater Versicherung. Auf dem neuesten Stand sollte auch stets die Rezept-Versicherung sein. „Da sie versicherungstechnisch Urkunden sind, sind sie nicht automatisch in der Werteversicherung eingeschlossen. Sie gehören nicht zur Betriebseinrichtung. „Viele Apotheker sagen, dass ihre Rezepte über die Rezeptsammelstelle versichert sind“, erzählt Jeinsen aus seinem Berufsalltag, „sie vergessen dabei aber den Zeitraum, in dem die Rezepte schon in der Apotheke, aber noch nicht von der Rezeptabrechnunsstelle übernommen wurde. Manchmal werden Rezepte nur zwei Mal im Monat abgeholt, dieser Zeitraum ist dann womöglich nicht versichert.

Auch die Nachhaftung ist ein Thema, mit dem man sich in guten Zeiten lieber nicht beschäftigt. „Oft findet sich in den Unterlagen keine Regelung, manchmal wird die Nachhaftung auf drei oder fünf Jahre definiert. Mit diesem Schutz bleiben nach einer Betriebsauflösung mögliche Spätschäden über das Erlöschen der Police hinaus abgesichert.“ Ein nicht zu unterschätzender Teil einer vernünftigen Versicherung, denn Haftpflichtschäden können auch noch Jahre nach Schließung des Betriebes auftreten.

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