Zyto-Verträge

Barmer prüft Apotheken-Ausschreibung

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Berlin -

Parenterale Zubereitungen verursachen immer höhere Kosten bei den Krankenkassen. Die Barmer GEK hat dieser Arzneimittelgruppe daher erstmals ein Kapitel in ihrem alljährlichen Arzneimittelreport gewidmet. Fast 10 Prozent des Arzneimittelumsatzes der Kasse entfallen auf die Rezepturen, seit 2004 haben sich die Kosten verdreifacht. Deshalb will die Barmer nun genauer hinschauen – und Rabattverträge nicht ausschließen.

Die Barmer gab im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro für Fertigarzneimittel aus, 5 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 418.000 Rezepturen fielen zusätzlich mehr als 420 Millionen Euro an – also noch einmal fast 10 Prozent der Gesamtausgaben. Da die Kasse mit weiteren Steigerungen rechnet, soll der Bereich künftig genauer ins Visier genommen werden.

Die Analyse zeigte, dass die meisten Wirkstoffe in der Onkologie nicht als Fertigarzneimittel, sondern in individuellen Zubereitungen eingesetzt werden. Aus Sicht von Professor Dr. Gerd Glaeske, Autor des Arzneimittelreports, werden die Kosten für Onkologika bislang unterschätzt. Die meisten Untersuchungen würden nur die abgegebenen Fertigarzneimittel ausweisen, doch auch bei der Herstellung der Zubereitungen kämen Fertigarzneimittel zum Einsatz.

Glaeske spricht sich für mehr Transparenz bei parenteralen Zubereitungen in der Onkologie aus. So sollte klargestellt werden, dass auch pharmazeutische Herstellungsbetriebe zur Preisauskunft gegenüber den Krankenkassen verpflichtet seien, heißt es in dem Barmer-Report.

Außerdem sollten öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken nicht nur beim Einkauf gleichgestellt werden, sondern auch auf der Ertragsseite. Um das zu gewährleisten, sollte es laut Barmer-Report eine auskömmliche Pauschale für die Herstellung und die begleitende pharmazeutische Dienstleistung geben, statt Einkaufsverhandlungen zu honorieren.

Darüber hinaus sollte die wohnortnahe Versorgung gestärkt werden, indem die Versorgung unverzüglich zu erfolgen habe. Es bedeute eine Verschwendung von Ressourcen, wenn Zytostatika über lange Wege transportiert und eventuell verworfen würden, weil aktualisierte Laborwerte die Behandlung nicht mehr erlaubten. Allerdings spricht aus Sicht der Kasse nichts dagegen, bei entsprechender Logistik Rezepturen überregional herzustellen. Voraussetzung müsse aber sein, dass Patienten keinen Behandlungsverzug durch die Belieferungszeit erleiden.

Ausschreibungen hält Barmer-Chef Dr. Christoph Straub für eine Möglichkeit, um über den Preis der Präparate zu verhandeln. Immerhin: Das Bundessozialgericht habe festgestellt, dass es keinen Anspruch auf die Versorgung aus einer bestimmten Apotheke gebe – das sei bislang ein Hinderungsgrund gewesen, sagte Straub. Man werde nun die Urteilsgründe abwarten und auf dieser Basis prüfen, ob Ausschreibungen doch ein Weg seien. In Nordrhein-Westfalen war die Barmer 2012 mit einer Zyto-Ausschreibung gescheitert.

Der am häufigsten verordnete Wirkstoff Fluorouracil wird in 99,9 Prozent der Fälle in Rezepturen verarbeitet, ebenso Paclitaxel, Carboplatin, Oxaliplatin, Irinotecan, Bendamustin, Epirubicin, Vinorelbin, Natriumfolinat, Pemetrexed und Topotecan.

Keines der 28 untersuchten Krebstherapeutika wurde in weniger als 83 Prozent der Fälle (Mesna) als Rezeptursubstanz eingesetzt, durchschnittlich werden die Wirkstoffe in 98 Prozent der Fälle in Zubereitungen verarbeitet. Insgesamt entstehen für diese Wirkstoffe Kosten von 385 Millionen Euro, 370 Millionen Euro entfallen auf Rezepturen.

Bezieht man die Tumorarzneimittel in Zubereitungen in das Ranking der teuersten Medikamente mit ein, verändern sie die Top-10-Liste entscheidend: Angeführt wird die Barmer-Liste zwar weiterhin von Humira mit Kosten von 122 Millionen Euro, an zweiter Stelle folgt dann aber schon Bevacizumab (Avastin, Roche), für das die Kasse im vergangenen Jahr 79 Millionen Euro ausgab. Enbrel mit Kosten von 75 Millionen Euro fällt auf den dritten Platz und wird gefolgt von Trastuzumab (Herceptin, Roche) mit 74 Millionen Euro. Rituximab (Mabthera, Merck) liegt mit 47 Millionen Euro auf Platz 9.

Insgesamt hofft die Barmer auf Ergänzungen beim AMNOG-Verfahren, um die Kosten für patentgeschützte Arzneimittel zu senken. Dabei hat die Kasse sogenannte „besonders versorgungsrelevante Arzneimittel“ im Blick. Dazu zählt sie die Medikamente, die schon im ersten Jahr nach Markteintritt einen Jahresumsatz von mehr als 80 Millionen Euro für die Krankenkassen erwarten lassen.

Derzeit generieren laut Barmer 1815 patentgeschützte Arzneimittel einen GKV-Umsatz von 12,3 Milliarden Euro. 34 Präparate überschreiten die Schwelle von 80 Millionen Euro und vereinen auf sich einen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro – und damit mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes. Zu diesen Arzneimittel zählen etwa Harvoni und Sovaldi, Tecfidera, Zytiga und Januvia.

Zwei Vorschläge macht die Kasse: Einerseits sollen die Hersteller zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, am besten direkt beim Markteintritt, valide sozioökonomische Informationen über ihr Arzneimittel vorliegen. Bei dieser Schnellbewertung sollen die Unternehmen begründen, wie sie zu dem festgesetzten Preis für ihr Arzneimittel kommen. Das ist aus Sicht von Glaeske mitunter nicht leicht zu beurteilen, weil Wirkstoffe eingekauft werden und somit keine Entwicklungskosten gegen gerechnet werden können.

Andererseits sprach sich die Barmer für eine erweiterte Kosten-Nutzen-Bewertung drei bis fünf Jahre nach Markteinführung der betroffenen Arzneimittel aus. Solche Bewertungen sollten nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel. Die Kosten soll der GKV-Spitzenverband tragen und die Ergebnisse den Rahmen für neue Preisverhandlungen bilden. Beide Vorschläge will die Barmer nun an die Politik herantragen.

Die Hersteller lehnen dies ab: „Eine Schnellbewertung neuer Arzneimittel löst weder die Versorgungsprobleme der Patienten noch die Strukturprobleme des AMNOG“, sagte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Die bisherige Praxis senke häufig die Anreize, innovative Medikamente in die Versorgung zu bringen. Dies lasse sich nicht durch höheres Tempo in der Bewertung lösen, sondern nur durch angemessene Bewertungsmaßstäbe.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) kritisiert, dass der Barmer-Report Einsparungen von Herstellern und Apotheken nicht ausweise und sich somit auf „fragwürdige Zahlen“ stütze. „Wir mahnen einen soliden Umgang mit Zahlen an", sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Der beklagte Ausgabenanstieg ergebe sich vor allem durch die „mehr als überfällige“ Absenkung des Herstellerabschlags auf 7 Prozent.

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