Medizinalhanf

Koalition präzisiert Cannabis-Verordnung

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Berlin -

Bevor der Bundestag voraussichtlich am Donnerstag Cannabis in begrenztem Umfang als Medizin freigeben wird, will die große Koalition im Gesundheitsausschuss noch Änderungen beschließen. Dabei geht es insbesondere um Klarstellungen zur Verordnung von Cannabis durch Ärzte. Versicherte mit schwerwiegenden Erkrankungen sollen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis erhalten, wenn andere Arzneimittel keine Linderung versprechen.

Der von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass Cannabis verordnet werden kann, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Arzneimitteltherapie nicht zur Verfügung steht oder eine begründetet Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht und der Versicherte sich verpflichtet, an einer Begleiterhebung zum Einsatz dieser Arzneimittel teilzunehmen.

Die Cannabis-Verordnung durch einen Arzt muss bei der ersten Verordnung von der Krankenkasse genehmigt werden. Der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterliegt der Kontrolle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Dazu wurde im BfArM ein eigenes Fachreferat eingerichtet.

In den vorliegenden Änderungsanträgen von Union und SPD wird die Cannabis-Verordnung nochmals präzisiert: Cannabis kann danach auch verordnet werden, ohne dass der Patient „langjährig schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen“ musste. Damit wird klargestellt, dass die Cannabis-Verordnung auch dann möglich ist, wenn zwar abstrakt noch andere Standardbehandlungen in Erwägung gezogen werden könnten. Dazu muss der behandelnde Arzt im konkreten Fall zu der begründeten Einschätzung kommen, dass unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten dem entgegensteht.

Die bei der verpflichtenden Teilnahme an Begleitstudien erhobenen Daten dürfen in anonymisierter Form auch ohne Einwilligung des Patienten zur Weitergegeben werden. Der Arzt muss lediglich die Patienten informieren, dass ihre Daten anonymisiert an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übermittelt werden.

Klargestellt wird zudem, dass die Krankenkassen eine Cannabis-Therapie „nur in begründeten Ausnahmefällen“ ablehnen können. Damit soll die Therapiehoheit des Arztes gestärkt werden. Auch in der ambulanten Palliativversorgung Schwerkranker mit nur noch kurzer Lebenserwartung kann Cannabis eingesetzt werden, um die Versorgung „zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod zu ermöglichen“. Daher soll sie Genehmigungsfrist zum Cannabis-Einsatz verkürzt werden. Statt drei bis fünf Wochen soll in diesen Fällen eine Frist von bis zu drei Tagen gelten. „Den Umständen des Einzelfalles angemessen haben Krankenkassen zügig zu entscheiden“, heißt es im Änderungsantrag.

Die Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, hob vor der Verabschiedung hervor, dass es sich nur um begrenzte Freigabe von Cannabis handelt. Die Kosten sollen laut Gesetzentwurf von der Krankenkasse übernommen werden. Das Gesetz werde voraussichtlich im März in Kraft treten, sagte Mortler: „Cannabis als Medizin ist mit Sicherheit kein Wundermittel, aber jeder soll das Recht haben, dass es bezahlt wird, wenn es hilft.“

Die Deutsche Schmerzgesellschaft begrüßt grundsätzlich das Gesetz und plädierte für einen niedrigschwelligen Zugang, wie ihr Geschäftsführer Thomas Isenberg deutlich machte. Es seien bisher keine bestimmten Krankheitsbilder definiert, bei denen Cannabis zum Einsatz kommen solle. Bei der Anwendung werde sich mit der Zeit zeigen, wie die Indikationen eingegrenzt werden könnten. Etwa bei Gewichtsverlust mit mangelndem Hunger oder tumorbedingter Übelkeit werde Cannabis angewendet.

Derzeit haben gut 1000 Patienten eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM zum Erwerb von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten zur medizinischen Anwendung. Solche Genehmigungen sollen künftig nicht mehr nötig sein. Eingerichtet werden soll eine Cannabis-Agentur unter staatlicher Aufsicht für den Anbau. Auch private Hersteller könnten sich dafür bewerben, aber wegen strenger Kriterien würden bei einem möglichen Verfahren am Ende wohl allenfalls wenige übrig bleiben, sagte Mortler.

Neben bestimmten Fertigarzneimitteln mit dem Cannabis-Stoff THC gibt es die Option, Öl aus Hanfpflanzen über eine Vorrichtung zu inhalieren. Cannabisblüten zu rauchen, sei aus ärztlicher Sicht wegen gesundheitlicher Risiken etwa durch das enthaltene Teer nicht zu empfehlen, so die Schmerzgesellschaft. Doch es gebe auch Patienten, denen es laut eigener Aussage am besten hilft, wenn sie es rauchen.

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linken, bemängelte, dass die Regierung das Straßenverkehrsrecht in dem Zusammenhang außer Acht lasse. „Viele Schmerzpatienten können durch eine Cannabistherapie überhaupt erst wieder ihr Auto nutzen. Doch bei Straßenverkehrskontrollen werden sie trotz anderslautender ärztlicher Beurteilung regelmäßig durch die Polizei verdächtigt, berauscht am Steuer zu sitzen.“

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