Bewertungsportale

Jameda: Gericht muss schlechte Noten zurücknehmen

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Berlin -

Apotheken und Ärzte werden von Patienten auf Bewertungsportalen im Internet empfohlen – oder zerrissen. Jameda feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Doch dieses Geburtstagsgeschenk wird der Burda-Tochter nicht gefallen: Das Landgericht München I hat das Portal zur Rücknahme einer schlechten Bewertung eines Zahnarztes verurteilt. Bei der Auslegung des Richterspruchs gehen die Meinung des Klägeranwalts und der Burda-Tochter weit auseinander.

Eine böse Überraschung erlebte ein Zahnarzt aus Niedersachsen, als er im Oktober 2014 Ausschau nach seinem persönlichen Profil hielt. „Nicht zu empfehlen“, nahm ein vorgeblicher Patient schon in der Überschrift seiner Bewertung das Gesamturteil vorweg. In den Kategorien „Behandlung“ und „Vertrauensverhältnis“ gab es jeweils die Note 5. Der Schreiber beklagte, ihm sei in der Praxis eine zu hohe und zu runde Krone eingesetzt worden. Tatsächlich konnten sich weder der Zahnarzt noch seine Mitarbeiter an einen solchen Fall, geschweige denn an eine dazu passende Beschwerde erinnern.

Da der Firmensitz von Jameda in München ist, zog der Niedersachse mithilfe der auf Medienrecht spezialisierten Kölner Rechtsanwaltskanzlei Höcker vor das Landgericht München I. Da ging er noch davon aus, dass der Verfasser der negativen Bewertung niemals bei ihm in Behandlung gewesen war. Im Laufe des zwei Jahre andauernden Verfahrens stellte sich heraus, dass der Patient tatsächlich in der Praxis behandelt wurde. Das bestätigte ein Mitarbeiter. Doch den zur Last gelegten Sachverhalt bestritt der Dentist vehement. Jameda konterte, der Bewertende habe seine Schilderungen auf Anfrage noch einmal bestätigt.

Eine bloße Bestätigung, dass der Bewertende tatsächlich Patient gewesen sei, reiche nicht aus, um eine negative Bewertung zu authentifizieren, sagte das Landgericht. Die Beweislast für negative Schilderungen wie diese liege bei Jameda. Kann der geschilderte Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, dürfen auch die damit zusammenhängenden Formulierungen und Noten nicht mehr veröffentlicht werden. Bei Nichtlöschung drohte ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.

Der vom Kläger gestellte Hauptantrag sei dagegen unbegründet, da er zu weit gefasst gewesen sei, so das Gericht. Der Antrag habe darauf abgezielt, schlechte Bewertungen und Benotungen gänzlich zu unterbinden. „Ein solches Unterlassungsgebot würde jede künftige Bewertung mit entsprechenden Noten oder der entsprechenden Überschriften betreffen, auch wenn diese von einem anderen Bewerter wegen einer anderen Behandlung und ohne Verletzung von Rechten des Klägers abgegeben wurde.“

Das Münchner Urteil fußt auf einem Richterspruch des Bundesgerichtshofs (BGH) vom März 2016. Damals wurde das Portal dazu verpflichtet, auf Verlangen konkrete Nachweise vorzulegen, ob ein Nutzer tatsächlich in der kritisierten Praxis war. Das Gericht gab damit einem Zahnarzt aus Berlin recht, der im Jahr 2013 eine extrem schlechte Bewertung erhalten und vergeblich auf Löschung geklagt hatte.

Der Arzt hatte Beweise dafür gefordert, dass der Patient tatsächlich bei ihm behandelt worden war. Dieser Prüf- und Nachweispflicht sei Jameda nicht ausreichend nachgekommen, so die Karlsruher Richter. Im Interesse der Meinungs- und Medienfreiheit seien zwar Meldungen aller Art grundsätzlich zu dulden, aber: „Beanstandungen müssen sorgfältig und gewissenhaft geprüft werden.“ Im vorliegenden Fall hätte Jameda den Verfasser der umstrittenen Bewertung auffordern müssen, etwa Bonushefte oder Rezepte vorzulegen. Das habe Jameda aber versäumt.

Das Karlsruher Urteil von 2016 unterscheide sich von der jetzt in München gefällten Entscheidung in einem wichtigen Punkt, sagt die bei der Kanzlei Höcker mit dem Fall betraute Rechtsanwältin Dr. Anja Wilkat. „In der BGH-Entscheidung ging es darum, wer darlegen und beweisen muss, dass der Bewertende überhaupt die Dienste des Arztes oder Apothekers in Anspruch genommen hat, wenn dies vom Betroffenen bestritten wird“, erläutert die Anwältin. „In unserem Fall stand hingegen nach Auffassung des Gerichts fest, dass der Bewertende bei unserem Mandanten in Behandlung war.“

Strittig sei nur gewesen, ob tatsächlich wie behauptet eine fehlerhafte Krone angefertigt worden sei. „Hier ist das Gericht dann davon ausgegangen, dass Jameda diese Schilderung bezüglich der angeblich fehlerhaften Krone näher darzulegen und zu beweisen gehabt hätte. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil man auch hätte sagen können, dass die Behauptung zulasten unseres Mandanten als wahr unterstellt wird, weil Jameda nähere Darlegungen beziehungsweise Beweise kaum möglich sind, ohne die Identität des Bewertenden preiszugeben.“

Das Bewertungsportal widerspricht dieser Auslegung: Der Fall des Zahnarztes beziehe sich auf eine Bewertung und Beanstandung von 2014, die Anforderungen seien mit dem BGH-Urteil konkretisiert und von Jameda auch umgesetzt worden. Der Rechtsstreit hätte „keinerlei Auswirkungen auf das aktuelle Vorgehen bei Bewertungsprüfungen gehabt, so dass Jameda darauf verzichtete, den Fall weiter zu verfolgen, und sich zur Unterlassung der konkreten Bewertung verpflichtete.“ Der Zahnarzt habe den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Es sei nicht mehr zu einer Sachentscheidung der nächsten Instanz, des Oberlandesgerichts München, gekommen.

„Es ist erstaunlich, dass die Kanzlei Höcker, welche den klagenden Zahnarzt vertritt, Ärzten einen solch alten Fall, der sich auf einen längst überholten und aktualisierten Prüfprozess bezieht, als eine Art ‚bahnbrechendes Grundsatzurteil‘ verkauft, obgleich er keinerlei Implikationen für die aktuelle Praxis der Prüfung von Bewertungen hat“, sagt dazu Jameda-Geschäftsführer Dr. Florian Weiß. „Die Prüfung der Bewertungen auf Jameda unterlag schon immer sehr hohen Qualitätsstandards, wie sie unter anderem vom Bundesgerichtshof vorgeschrieben werden. Sie erfolgt entsprechend der aktuell geltenden Rechtsprechung. Darauf können sich Ärzte und Patienten verlassen.“

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