AOK-Rabattverträge

So viel Ärger wie noch nie

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Berlin -

Am 1. Juni sind neue AOK-Rabattverträge über 108 Wirkstoffe und -kombinationen in Kraft getreten. Die mittlerweile 18. Tranche sorgt für so viel Ärger wie noch nie. Apotheker und Großhandel brauchen schon ohne Zwischenfälle Wochen, bis sie ihre Lager umgestellt haben – vorausgesetzt, dass die Ware überhaupt lieferbar ist. Die ersten Defekte gab es diesmal nach nur drei Tagen.

Apotheker und Großhändler sind Kummer gewohnt, wenn es um Rabattverträge geht, denn diese existieren seit zehn Jahren und bestimmen den Alltag. Die Umstellung ist schwierig, alte Rabattpartner müssen abverkauft und die neuen Produkte an Lager gelegt werden. Wie sich der Markt entwickeln wird, kann zum Start einer neuen Tranche niemand vorhersagen. Am HV-Tisch wartet Ärger mit frustrierten Kunden.

Die Hersteller müssen ihre Produktion beim Wachwechsel im Generalalphabet von 0 auf 100 hochfahren; Probleme sind oft vorprogrammiert. In diesem Jahr sind die Zustände besonders schlimm. Lang ist etwa die Liste einer Apotheke in der Oberpfalz: Bayern ist das Gebietslos 1 der AOK, Defekte bestehen seit Beginn des Rabattvertrages. Nicht lieferbar seien Cefuroxim Heumann – hier könnte in allen Gebietslosen auf Aliud und Basics ausgewichen werden.

Aber auch Aliud hat Probleme. Die Ware sei noch nicht einmal produziert, Maschinen müssten umgestellt werden, so die Information einer Apothekerin. Auch wenn der Hersteller seit vier Monaten vom Zuschlag der AOK wusste, sei eine Bevorratung nicht möglich gewesen. Laut Aliud seien jedoch alle Stärken lieferbar, aber nicht in allen Packungsgrößen. Risperison Aristo fehlt ebenso, jedoch haben auch Dexcel und die Bietergemeinschaft Teva/Ratiopharm hier einen Zuschlag bekommen.

Schlechter sieht es bei den Exklusivverträgen für Escitalopram Heunet und Paroxetin Neuraxpharm aus. Ebenfalls nicht lieferbar ist Bisoprolol Ratiopharm in der Kombination mit Hydrochlorothiazid in der Stärke 5/12,5 mg – allerdings komme laut Großhandel schon seit Ende April keine Ware mehr aus Ulm. Auf der Black-List steht auch Tamsulosin Sun. Der indische Hersteller, zu dem auch Basics und Ranbaxy gehören, teilte gegenüber APOTHEKE ADHOC mit, „in vollem Umfang lieferfähig zu sein“. Die Großhändler wüssten schlichtweg nicht, dass Ware verfügbar sei.

Kritisch sieht es auch beim Ibuprofen-Kindersaft von Ratiopharm aus, die Bietergemeinschaft hat in allen acht Gebietslosen den Zuschlag bekommen. Ein Vorverkauf der Säfte in den Stärken 2 und 4 Prozent fand bereits im Frühjahr statt, dennoch bleiben jetzt die Regale leer: Der Hersteller kann nicht liefern. Es würden nur kleine Zuteilungen ausgeliefert, bevorzugt würden Überweiser, heißt es aus Apotheken.

Die aktuelle Situation bedeutet einen erheblichen Mehraufwand für die Apotheken, der nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld kostet. Wer sein Lager auf den neuen Rabattvertrag umstellt, kann gut eine Woche beschäftigt sein. Die neuen Artikel müssen bestellt und verstaut werden. Zuvor muss der Bedarf abgeschätzt werden. Die nicht mehr rabattierten Packungen müssen aus Schüben und Automaten geräumt und dem Großhandel zum Rückkauf angeboten werden. „Bei jedem neuen Rabattvertrag bleibe ich auf etwa 20 Prozent der zuvor rabattierten Artikel sitzen“, sagt der Apotheker aus Bayern.

Defekte gibt es aber nicht nur, nur wenn der Hersteller nicht liefert. Auch wenn die Einkäufer der Großhändler zu Beginn der Verträge abwarten, weil es um Ware geht, die sich seit Monaten nicht drehte, kann es für die Apotheken eng werden. Nicht selten muss dann auch mit Hamsterkäufen umgegangen werden, was die Sache nicht einfacher macht.

Probleme in der Bevorratung bereiten den Großhändlern vor allem Wirkstoffe, die einen Vertrag im Rahmen des Mehrpartnermodells haben. Stünden wie bei Amlodipin drei Rabattpartner zur Auswahl, sei noch nicht anzusehen, welcher Hersteller am meisten von den Apotheken bestellt werde, sagt eine Einkäuferin. Daher lege man nicht einfach alles ans Lager, sondern sei zunächst zurückhaltend. Schließlich würden auch die Hersteller die Ware nicht in vollem Umfang zurücknehmen.

Aktuell werden alle zwei Tage die 1161 Positionen, die vom neuen Rabattvertrag der AOK betroffen sind, abgerufen und bestellt. Bei Exklusivverträgen ist die Bevorratung zwar einfacher: Hier könne man die Wirkstoffe miteinander koppeln und den Abverkauf grob abstecken und im Voraus planen. Trotzdem bleibt ein erheblicher Mehraufwand auch für die Großhändler. Vorbei sind die Zeiten der Bevorratung. Man brauche zwar keine Valuta wie früher, aber faire Rückgabekonditionen.

Alles in allem dauere die Umstellung etwa vier Wochen, bis sich die Einkäufer auf die neuen Verträge eingestellt haben. So kann es sein, dass einige Präparate derzeit beim einen oder anderen Lieferanten defekt sind, obwohl der Hersteller ein volles Warenlager hat.

2011 hatten Lieferprobleme eines AOK-Rabattpartners erstmals für Schlagzeilen gesorgt: Betapharm hatte den Zuschlag für Metoprolol Succinat erhalten. Der Hersteller konnte Wochen lang keinerlei Ware liefern, sollte aber plötzlich Herstellerabschläge bezahlen. Offenbar hatten Apotheken aus Angst vor Retaxationen Rezepte mit dem Rabattpartner bedruckt, eigentlich aber andere Hersteller abgegeben.

2012 warf die AOK erstmals einen Rabattpartner wegen mangelnder Lieferfähigkeit raus. Der Vertrag mit Dexcel über Metformin wurde zum 31. März gekündigt. Die Kasse begründete die kurzfristige Vertragsauflösung mit anhaltenden Lieferengpässen des Herstellers. Zum Oktober desselben Jahres wurden außerdem die Rabattverträge mit Betapharm über Metoprolol, Ranitidin und Spironolacton aufgelöst.

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