Anti-Korruptionsgesetz

Apotheker sollen aus der Schusslinie

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Berlin -

Viele Apotheker machen sich derzeit Sorgen, dass sie künftig ins Visier des Staatsanwalts geraten – ohne sich eines Fehlers bewusst zu sein. Grund für diese Verunsicherung ist das geplante Anti-Korruptionsgesetz. Experten warnen vor überharten Strafen und Ungleichbehandlung. In einem Gesprächskreis zwischen Abgeordneten und Verbandsvertretern haben sich jetzt die Großhändler und Hersteller für die Apotheker eingesetzt. Doch den Lobbyisten läuft die Zeit davon.

Im Grunde sind sich alle einig: Korruption im Gesundheitswesen muss unter Strafe gestellt werden. Nach dem Ärztefreispruch im Jahr 2012 aufgrund der aktuellen Gesetzeslage will die Große Koalition endlich klare Grenzen ziehen. Doch in ihrem Entwurf ist die Regierung über das Ziel hinaus geschossen. Schon bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags Anfang Dezember hagelte es Kritik. Vor allem die sehr prominente Anbindung an das Berufsrecht im geplanten Strafrechtsparagrafen wird von den Experten als Webfehler des Gesetzes getadelt.

Zusätzlichen Gesprächsbedarf gab es auch deshalb, weil bei der Anhörung nur Experten der Kassen, Ärzte und der forschenden Pharmahersteller sowie Strafrechtsexperten befragt wurden. Andere Herstellerverbände, der Großhandel und die Apotheker blieben außen vor. ABDA-Chefjurist Lutz Tisch verfolgte die Veranstaltung von den Besucherrängen aus. Beim Thema Korruptionsbekämpfung drängen die Apotheker allerdings auch nicht aktiv in die erste Reihe, denn das könnte Betroffenheit signalisieren.

Doch die Union bot Gelegenheit zu weiterem Austausch: Die beiden zuständigen Arbeitsgruppen Recht/Verbraucherschutz und Gesundheit der Fraktion luden in der vergangenen Woche Vertreter der Verbände zu einem Gespräch. Diesmal war auch die ABDA mit von der Partie, neben Tisch nahm der Jurist Dr. Matti Zahn teil. Dazu waren unter anderem Vertreter der AOK, des Großhandelsverbands Phagro, mehrerer Herstellerverbände und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dabei. Von der Union nahmen unter anderem der Berichterstatter für das Gesetz, Dr. Jan-Marco Luczak (CDU), sowie sein Pendant im Gesundheitsausschuss, Dietrich Monstadt (CDU), an dem Treffen teil.

In dem rund zweistündigen Gespräch kam man schnell auf das Berufsrecht. Laut bisherigem Entwurf macht sich ein Apotheker strafbar, wenn er aufgrund von Absprachen bei der Arzneimittelabgabe seine „berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ verletzt. An anderer Stelle ist diese Unabhängigkeit sogar Gradmesser für den Bezug von Arzneimitteln.

Das wird allgemein als zu unbestimmt angesehen, weil es keine konkreten Verbotsvorschriften gibt. Vor allem aber könnte die Formulierung zu Ungleichheit führen: Bei Ärzten und Apothekern variieren die Berufsordnungen je nach Bundesland. Was in einem Land erlaubt wäre, könnte in einem anderen unter Strafe stehen – im Strafrecht ein Unding.

Hinzu kommt ein Legitimationsdefizit, weil die Kammern ihr Berufsrecht selber schreiben. Damit hätten sie künftig maßgeblichen Einfluss darauf, was unzulässig ist und was nicht. Andere im Gesundheitswesen Tätige haben dagegen überhaupt keine eigene Berufsordnung.

Beide Punkte – Ungleichheit und fehlende Legitimation – wurden auch mit den Unions-Abgeordneten besprochen. Das Tatbestandsmerkmal Verletzung der heilberuflichen Unabhängigkeit müsse gestrichen werden, so die einhellige Meinung. Der Phagro ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte eine Streichung des kompletten zweiten Absatzes, der das Berufsrechts beim Bezug thematisiert. Die Herstellerverbände unterstützten dies. Denn die Unternehmen befürchten grundlose Ermittlungen gegen sich, nur weil die Staatsanwälte einem vagen Anfangsverdacht nachgehen.

Kritisiert wurde ferner die Strafverschärfung in besonders schweren Fällen. Weil dazu auch eine bandenmäßige Tatbegehung zählt, könnte diese Verschärfung quasi zum Normalfall werden. Denn eine Bande sind mindestens drei Personen, bei umstrittenen Vertriebspraktiken wäre fast immer von einem schweren Fall auszugehen. Auch dieser Passus sollte aus Sicht der Verbände gestrichen werden.

Das Verständnis auf Seiten der Abgeordneten soll groß gewesen sein, das Gespräch im Ganzen sehr konstruktiv. Dennoch ist fraglich, wie weit die Fundamentalkritik noch durchdringt. Denn das Gesetzgebungsverfahren ist weit fortgeschritten, am 13. Dezember hat der Bundestag den Entwurf in erster Lesung verabschiedet. Noch vor Ostern soll das Gesetzgebungsverfahren nach Plänen der Koalition abgeschlossen sein, das Anti-Korruptionsgesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Hinzu kommt, dass die Union bei dem Vorhaben nur die zweite Geige spielt. Die Zuständigkeit liegt im SPD-geführten Bundesjustizministerium (BMJV). Selbst wenn die CDU-Abgeordneten von den Schwachstellen überzeugt sind, müssten sie ihrerseits den Koalitionspartner überzeugen, allen voran Justizminister Heiko Maas.

Und in dessen Haus scheinen die Vorbehalte weniger groß. Eine Gegenposition wurde in der Anhörung im Dezember geäußert: Der Kölner Strafrechtsprofessor Dr. Michael Kubiciel findet es unproblematisch, dass der Gesetzestext in Teilen auslegungsbedürftig ist. Die Berufskammern könnten unklare Regeln präzisieren, das sei geradezu ein idealer Vorgang. Kubiciel sprach von „Selbstheilungskräften“. Das Strafrecht könne nicht alles regeln. „Ich bin überzeugt, dass klar ist, was gemeint ist“, so Kubiciel. Der Strafrechtler war von der SPD als Experte in den Ausschuss geladen worden.

Insofern ist fraglich, ob grundsätzlichen Änderungen am Gesetz noch eine Chance haben. Denn eine solche wäre Streichung des Berufsrechts aus dem Entwurf. Wahrscheinlicher sind wohl kosmetische Änderungen und Klarstellungen in der Begründung, die den Ermittlungsbehörden und Gerichten die Bewertung erleichtern. Einig sind sich alle, dass es spezialisierte Staatsanwaltschaften für den Gesundheitsbereich geben muss.

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