Das Mistelpräparat Iscador wird ab Herbst nicht mehr von Weleda vertrieben. Der Hersteller konnte sich mit dem schweizerischen „Verein für Krebsforschung“ nicht über grundlegende Vertragsdetails einigen. Daher sei man nach intensiven Verhandlungen übereingekommen, die langjährige Zusammenarbeit zu beenden, heißt es. Ab November nimmt ein neuer Vertriebspartner das Mittel huckepack – für die Anhänger der Anthroposophie ein Politikum.
Iscador ist ein fermentierter wässriger Auszug aus Apfelbaummistel. Die Blätter werden im Sommer geerntet, die Beeren im Winter. Mit einer speziellen Maschine werden die Presssäfte unter hoher Geschwindigkeit vereint – der kosmische Effekt soll für die Wirkung gegen Krebs von entscheidender Bedeutung sein.
Bei Schulmedizinern und Krankenkassen zählen solche energetischen Besonderheiten nicht. Schon 2004 strich der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) anthroposophische Mistelpräparate in der kurativ-adjuvanten Krebsbehandlung aus dem GKV-Leistungskatalog, da diese nicht als Therapiestandard anerkannt seien.
Weil das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sich zunächst schützend vor die Präparate stellte, ging der Fall vor Gericht. Doch das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte 2011 den Ausschluss; vom G-BA gab es im April 2012 einen neuerlichen Beschluss: Nur in der palliativen Therapie dürfen anthroposophische Mistelpräparate zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden.
Entsprechend schrumpfen die Abverkäufe seit Jahren: Laut Arzneiverordnungsreport wurde Iscador 2013 knapp 47.000 Mal auf Kassenrezept verordnet, die Ausgaben der Kassen lagen bei 3,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2009 waren es 132.000 Verordnungen und 12,2 Millionen Euro. Hinzu kommen Umsätze mit Patienten, die das Präparat aus eigener Tasche zahlen.
Vermutlich ist das Produkt für Weleda wirtschaftlich unattraktiv geworden. Bereits im Januar 2013 kündigte das Unternehmen den seit Jahrzehnten bestehenden Vertrag; nach Ablauf der zweijährigen Frist wurde der Wechsel in der Schweiz bereits im Februar vollzogen. Der Verein, der über sein Institut Hiscia bislang nur für Forschung und Produktion verantwortlich war, hat ein neues Unternehmen gegründet, das auch den Vertrieb im Heimatland übernommen hat.
Zum 1. November soll dann auch in Deutschland, Großbritannien, Italien, Schweden, Österreich, Kanada und Neuseeland umgestellt werden; außerdem sollen weitere Märkte neu erschlossen werden. Hierzulande wird bereits mit einem Vertriebspartner verhandelt; eine Kooperationsvereinbarung gibt es bereits mit einer Apotheke in Lörrach.
In der Community hat die Trennung für Furore gesorgt. Denn man kennt sich in Arlesheim, einer kleinen Gemeinde südlich von Basel, die international als Zentrum für anthroposophische Medizin bekannt ist. Weleda war 1921 vom Vater der Anthroposophie, Rudolf Steiner, und der holländischen Ärztin Ita Wegman gegründet worden. Den „Verein für Krebsforschung“ hatte Wegman 1935 gemeinsam mit Rudolf Hauschka sowie Werner und Lina Kaelin ins Leben gerufen.
Wegman hatte das erste Mistelpräparat zusammen mit einem Apotheker entwickelt und in ihrer Zürcher Privatpraxis bei Krebspatientinnen angewendet. Auf ihre Erfahrungen aufbauend empfahl Steiner 1920 vor interessierten Ärzten erstmals injizierbare Mistelpräparate als Krebsheilmittel.
Dem „Verein für Krebsforschung“ gehörte bis vor kurzem die Lukas-Klinik, die sich alternativen Behandlungsmethoden bei onkologischen Erkrankungen verschrieben hat. Nach wirtschaftlichen Problemen wurde das Haus mit der ähnlich ausgerichteten, aber auf andere Indikationen spezialisierten Ita Wegman Klinik fusioniert. Diese wiederum ist neben der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (AAG) Großaktionärin bei Weleda.
Die neu gegründete Iscador AG gehört zu jeweils 49 Prozent dem „Verein für Krebsforschung“ und der „Gesellschaft für klinische Forschung“ mit Sitz in Berlin; die restlichen 2 Prozent hält ein Anwalt aus Basel. Gewinninteressen stünden nicht im Vordergrund, vielmehr gehe es darum, möglichst vielen Patienten Iscador zur Verfügung zu stellen, heißt es.
Die „Gesellschaft für klinische Forschung“ war in den 1990er Jahren von Ärzten gegründet worden und führt über das „Institut für klinische Forschung“ Studien zu Iscador und Cannabis sativa bei Krebs und anderen Erkrankungen durch.
Weitere Mistelpräparate in der Krebstherapie sind AbnobaViscum von Abnoba, Helixor von Helixor Arzneimittel und Iscucin von Wala. Die Preise liegen bei ungefähr 60 Euro je sieben bis zehn Ampullen. Laut Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD) ist Mistel das am weitesten verbreitete komplementärmedizinische Arzneimittel in der Krebstherapie.
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