Retouren

Noweda: Millionenstreit um Konto 1552

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Berlin -

Jede Apotheke hat mit ihrem Großhändler mal Ärger mit Retouren. Eher selten ist, dass der Streit so eskaliert wie zwischen der Noweda und der Versandapotheke Medikamente-per-Klick (Luitpold Apotheke, Bad Steben). In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) geht es um Forderungen in Millionenhöhe. Die Versandapotheke hat sogar Strafanzeige gegen ehemalige Kapferer-Manager gestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht (LG) Mannheim parallel ein Strafverfahren eröffnet.

Wie jede Apotheke schickt auch Medikamente-per-Klick ab und zu Arzneimittel an den Großhandel zurück und bekommt entsprechende Gutschriften, sofern die Ware in Ordnung ist. Laut einer Vereinbarung mit dem Großhändler Kapferer, der seit 2008 zur Noweda gehört, wurden diese Beträge auf eigenen Kundenkonten von Medikamente-per-Klick verbucht.

Im strittigen Zeitraum zwischen 2004 und Oktober 2009 summierten sich die Gutschriften aus Retouren auf rund 3,5 Millionen Euro, ausgehend von einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Doch die Noweda verbuchte nicht alle Rücksendungen auf dem Kundenkonto, sondern teilweise auf dem internen Sonderkonto mit der Nummer 1552. Hier bucht der Großhändler von allen Kunden Rückläufer, für die es keine Gutschrift gibt. Das betrifft etwa beschädigte Packungen und abgelaufene Ware.

Bei dieser getrennten Buchung fühlte sich Medikamente-per-Klick von seinem Lieferanten übervorteilt. Zwar hatte man im Februar 2009 eine Saldenbestätigung in Höhe von 8,4 Millionen Euro ohne Gegenforderungen unterschrieben. Im Oktober des gleichen Jahres wurde diese von der Versandapotheke aber angefochten – verbunden mit dem Vorwurf der arglistigen Täuschung.

Im Februar 2010 wurde Strafanzeige gestellt. Die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Mannheim veranlasste in der Folge Durchsuchungen in der Noweda-Niederlassung in Mosbach (ehemals Kapferer) sowie am Essener Hauptsitz der Genossenschaft. Das LG Mannheim hat die Klage angenommen, eine Prozesseröffnung ist aber wohl nicht vor 2017 zu erwarten.

Parallel läuft der Zivilprozess. Die Rechnung der Noweda für die Dezemberlieferung des Jahres 2009 in Höhe von gut 1,2 Millionen Euro verrechnete Medikamente-per-Klick mit eigenen Gegenforderungen. Der Großhändler klagte und bekam Recht: Mitte Dezember 2010 wurde die Versandapotheke mit einem sogenannten Vorbehaltsurteil des LG Mosbach zur Zahlung plus Zinsen verurteilt. Eher ein amüsanter Zufall als für den Fall relevant: Der ehemalige Großhandelschef Claus Kapferer ist beim LG ehrenamtlicher Handelsrichter.

Rund vier Jahre später, im Januar dieses Jahres, erklärte das LG Mosbach das Urteil nach mündlicher Verhandlung für „vorbehaltslos“. Der Versender ist gegen die Entscheidung in Berufung gegangen, im Januar wird vor dem OLG Karlsruhe verhandelt. In ihrer mehrfach erweiterten Widerklage fordert die Versandapotheke mittlerweile 2,3 Millionen Euro plus Zinsen sowie Schadensersatz von der Noweda, insgesamt einen Betrag von mehr als 3 Millionen Euro.

Medikamente-per-Klick behauptet, die Noweda habe in vielen Fällen zu Unrecht Gutschriften auf dem Sonderkonto 1552 verbucht und entsprechend nicht rückvergütet. Die retournierte Ware sei dem Noweda-Lager zwar zugeführt, dem eigenen Konto aber nicht gutgeschrieben worden, trug Medikamente-per-Klick im Prozess vor. Die damaligen Kapferer-Geschäftsführer hätten sich damit des Betrugs schuldig gemacht.

Die Noweda bestreitet dies. Die Gegenansprüche stünden der Versandapotheke nicht zu, betreffend des Zeitraums bis einschließlich 2007 seien sie ohnehin verjährt. Die Apotheke hätte selbst nachhalten müssen, welche Waren angeblich ohne Rückvergütung an die Noweda gesandt worden seien. Aufgrund des Saldoanerkenntnisses seien die Ansprüche überdies ausgeschlossen.

Der Großhändler behauptet, alle fälligen Gutschriften erteilt zu haben. Allerdings habe Medikamente-per-Klick auch Ware retourniert, die gar nicht von der Noweda ausgeliefert worden sei. Für nicht mehr verkehrsfähige Ware gebe es ebenfalls keine Gutschrift. Das Gleiche gelte, wenn die Versandapotheke keinen persönlich unterschriebenen Retourenzettel beigelegt hatte. Zum Teil sei auch versehentlich zu viel Ware bestellt und sofort retourniert worden. Diese sei dann in den Monatsrechnungen gar nicht berechnet worden, entsprechend habe es dann auch keine Gutschrift gegeben.

Der Versender hatte vorgetragen, die Noweda habe bei anderen Gutschriften keinen Unterschied gemacht zwischen Retourenbelegen und Eigenbelegen der Versandapotheke. Mehr als 90 Prozent der rückgesandten Ware habe der Großhändler seinem Lager zugeführt.

Die Retouren habe Noweda zudem hauptsächlich selbst verschuldet: Mal sei nicht bestellte Ware geliefert worden, andere habe kurz vor dem Verfall gestanden und in wieder anderen Fällen sei zu spät oder zu viel geliefert worden, heißt es. Die Saldenbestätigung habe man damals nur „aus Angst vor ernsthaften Konsequenzen“ unterzeichnet – die Versandapotheke fürchtete die Einstellung der Belieferung. Die Bestätigung sei unter Ausübung psychologischen Drucks und Drohungen erwirkt worden, hatte der Versender im Verfahren geäußert.

Das LG Mosbach entschied zugunsten des Großhändlers. Die Versandapotheke habe nicht schlüssig vorgetragen, dass ihr Ansprüche in Höhe von 2,3 Millionen Euro zustehen. Dazu hätte Medikamente-per-Klick genauer erklären müssen, wer wann welche Ware in welchem Zustand geliefert und retourniert hat und ob die retournierte Ware tatsächlich zuvor bei Noweda bezogen worden war.

Der Einkauf der konkreten Ware als Voraussetzung ist vor dem Hintergrund eines anderen Konfliktes besonders spannend. Die Noweda streitet aktuell mit dem brandenburgischen Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV), ob der Großhändler auch weiterhin Arzneimittel aus Apotheken zurücknehmen darf, die er nicht selbst ausgeliefert hat.

Das LG Mosbach sah es jedenfalls als Aufgabe des Versenders an, die Belieferung in jedem Einzelfall vorzutragen. Auf die umfangreichen Anlagen – angeblich 30 Aktenordner und rund 23.000 Seiten – könne sich die Versandapotheke dabei nicht stützen.

Das Gericht sei weder berechtigt noch verpflichtet, sich daraus die Tatsachen heraus zu suchen, die für die Widerklage relevant seien. Die Richter monierten in diesem Zusammenhang auch das Fehlen von Original-Rechnungsbelegen, die den Gutschriften zugeordnet werden könnten. Das OLG Karlsruhe verhandelt den Streit am 22. Januar in zweiter Instanz.

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