USA

Daraprim: Preisanstieg um 5555 Prozent

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Berlin -

Was darf ein lebenswichtiges Medikament kosten? Seit Sovaldi (Sofosbuvir) ist die Preispolitik der Hersteller ein öffentliches Thema. In den USA hat jetzt ein kleines Start-up die Debatte neu entfacht. Vor wenigen Wochen kaufte Turing Pharmaceuticals das Toxoplasmose-Mittel Daraprim (Pyrimethamin). Über Nacht explodierte der Preis für das Mittel, das vor allem bei HIV-Patienten eingesetzt wird: Statt 13,50 US-Dollar (rund 12 Euro) kostet eine Dosis nun 750 Dollar (etwa 670 Euro) – ein Anstieg von 5555 Prozent. Der Firmenchef verteidigt sich.

Martin Shkreli, ehemaliger Hedgefonds-Manager und CEO von Turing Pharmaceuticals, wird für seine Strategie scharf kritisiert. Ihm wird vorgeworfen, er mache ein Geschäft mit Schwerstkranken. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg rechtfertigte sich Shkreli, man habe das Arzneimittel profitabel machen müssen. Die früheren Lizenzinhaber hätten das Arzneimittel bislang verschenkt.

Eine Therapie mit bis zu 100 Tabletten habe es um die 1000 Dollar gegeben – für ein lebensrettendes Medikament. Krebsmedikamente kosteten 100.000 Dollar und mehr, argumentiert Shkreli, andere Mittel gegen Infektionskrankheiten bis zu einer halben Million. Auch der heutige Preis für Daraprim sei im Vergleich zu Mitbewerbern noch zu niedrig.

In der Herstellung koste Daraprim etwa einen Dollar, den höheren Ertrag wolle Turing investieren in Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. „Die Patienten verdienen ein sicheres, hochwirksames Arzneimittel. Das heutige Daraprim ist sieben Jahre alt.“ Man wolle an der Verbesserung des Arzneimittels arbeiten – und das koste eben viel Geld. Es sei also nur fair, den Preis zu erhöhen, das sei langfristig eine Entwicklung zum Wohle der Patienten, von denen es laut Shkreli zwei Milliarden gebe: „Das ist eine tickende Zeitbombe.“

In der bisherigen Kalkulation seien auch Kosten für Marketing und Vertrieb nicht berücksichtigt. Turing Pharmaceuticals sehe sich darüber hinaus als Partner der Patienten, eine Therapie mit Daraprim erfordere einen anderen Fokus, es sei schließlich etwas anderes als Advil in der Apotheke zu kaufen, sagt Shkreli.

Shkreli erklärt, Turing gebe die Hälfte der Medikamente dennoch kostenlos ab. Bedürftigen oder Menschen ohne Einkommen würde man helfen, auch wenn sie die Rechnung nicht bezahlen können. Für sein Ziel, Geld zu verdienen, sei dies „ein Hindernis“, sagt Shkreli. „Wir würden aber niemandem die Behandlung verwehren, nur weil er nicht bezahlen kann.“ Trotz Differenzen mit den Krankenversicherern gebe Turing das Arzneimittel kostenlos ab.

In einem öffentlichen Brief warnen die amerikanische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und die HIV Medicine Association vor Kostenexplosionen auf dem Rücken von HIV-Infizierten, die auf die Medikation mit Daraprim angewiesen sein könnten. Die jährlichen Kosten für eine Behandlung von Toxoplasmose könnten auf bis zu 634.500 US-Dollar ansteigen.

Mit seiner aggressiven Preisstrategie hat Shkreli sogar die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton auf den Plan gerufen. Am Montag kündigte sie via Kurznachrichtendienst Twitter an, gegen die Preisexplosion bei Medikamenten vorgehen zu wollen: „Eine derartige Preiserhöhung in einem so speziellen Markt ist unerhört. Morgen werde ich einen Plan vorlegen, um dagegen vorzugehen.“

Die FDA-Zulassung für Daraprim stammt von 1953. Ursprünglich wurde das Arzneimittel von Burroughs-Wellcome, heute GlaxoSmithKline (GSK), zur Behandlung von Malaria entwickelt. In Deutschland ist GSK noch heute Zulassungsinhaber.

Daraprim ist das einzige Medikament, das für die Behandlung von Toxoplasmose zugelassen ist. Die Infektionskrankheit kann vor allem für Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich, im schlimmsten Fall sogar tödlich sein. Generikaanbieter für den Wirkstoff Pyrimethamin gibt es in den USA bislang keine. 2010 verkaufte GSK die Marketingrechte an CorePharma, Turing kaufte das Präparat im August.

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