Zuweisungsverbot

Urteil: Arzt darf Apotheken Rezepte mailen

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Berlin -

Eine gute Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker ist in der Versorgung hilfreich. Doch die Grenzen zwischen Kooperation und unzulässiger Zuweisung sind mitunter fließend. Das Landgericht Dessau-Roßlau (LG) hat einem Arzt aus Sachsen-Anhalt erlaubt, die Rezepte im großen Stil direkt an bestimmte Apotheken zu schicken. Entscheidend für das Gericht war, dass die Patienten zuvor schriftlich eingewilligt hatten – und dass es immer noch „Selbstabholer“ in der Praxis gab.

Der Allgmeinmediziner nutzt das Portal Health Network (HNW) und ist darüber mit zwei Apotheken in Nachbartorten vernetzt. Auf Wunsch der Patienten werden die Rezepte direkt digital an eine dieser Apotheken übermittelt, die die Arzneimittel dann ausliefert. Das Papierrezept wird nachgereicht. Apotheker und Arzt zahlen für die Mitgliedschaft bei HNW – wieviel war auf Nachfrage bislang nicht zu erfahren.

Ärzte dürfen nur in Einzelfällen direkt an andere Leistungserbringer verweisen. Selbst die Empfehlung einer Apotheke darf nicht ohne „hinreichenden Grund“ erfolgen. Nach einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zählt die Vermeidung von weiten Wegen für gehbehinderte Patienten als hinreichender Grund, ebenso schlechte Erfahrungen, die Patienten mit anderen Leistungserbringern gemacht haben. Die Bequemlichkeit des Patienten ist dagegen keine ausreichende Begründung.

Die Wettbewerbszentrale hatte in dem Verhalten des Arztes eine Zuweisung und damit einen Verstoß gegen die Berufsordnung gesehen und den Mediziner verklagt. Es sei unwahrscheinlich, dass die Weiterleitung immer auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten erfolgte, da der Arzt sogar für den Service geworben hatte. Doch das LG wies die Klage ab: Aus der Weiterleitung allein sei kein Verstoß erkennbar. Die Richter sahen es nicht als erwiesen an, dass der Arzt Rezepte im konkreten Einzelfall ohne Anfrage des Patienten an Apotheken übermittelt habe.

Der Verweis an eine bestimmte Apotheke sei nicht verboten, wenn ein Patient gezielt um Auskunft bitte: „In diesen Fällen darf der Arzt durchaus Anbieter benennen, denn der Patient signalisiert mit seinem Verhalten, dass er seine Wahlfreiheit durch die Empfehlung des Arztes unterstützt wissen will“, so das Gericht mit Verweis auf das BGH-Urteil. Aufgrund seiner Fürsorgepflicht dürfe der Arzt dann eine Empfehlung aussprechen. Es bleibe die Entscheidung des Patienten, ob er sich in seiner Wahlfreiheit beeinflussen lasse.

Der Arzt hatte erklärt, die Rezepte immer zunächst in der Praxis auszustellen und die Weiterleitung an die Apotheken nur auf Nachfrage anzubieten. Die Wettbewerbszentrale hatte dies bezweifelt – schon wegen der hohen Patientenzahl, die sich in kurzer Zeit für den Service angemeldet hatten. Es sei wenig wahrscheinlich, dass in jedem Fall ein triftiger Grund für die Weiterleitung gelegen habe oder dieser überhaupt geprüft worden sei.

Dem Arzt zufolge hatte jeder betroffene Patient zuvor eine Einwilligungserklärung abgegeben, dass seine Rezepte direkt eingelöst werden können. Auf dem Musterschreiben besteht die Wahl zwischen den beiden Apotheken des HNW sowie die Möglichkeit, eine andere Apotheke einzutragen. Daher lasse sich aus der Weiterleitung an immer dieselben Apotheken nicht auf ein organisiertes Zusammenwirken schließen, verteidigte sich der Mediziner.

Das verfing bei Gericht: Die Wettbewerbszentrale habe keinen Beweis für eine generelle Weiterleitung vorgelegt. Aus einer von der Praxis vorgelegten Übersicht werde zudem deutlich, „dass nicht generell alle Rezepte weitergeleitet werden, sondern dass auch Selbstabholer dabei sind“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Arzt hatte zudem versichert, dass die Weiterleitung überwiegend Patienten betreffe, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien. Mehr als 60 Prozent seiner Patienten seien Rentner. Laut Gericht darf ein Arzt auch ohne Nachfrage einen Leistungserbringer empfehlen, wenn hierfür ein hinreichender Grund besteht. Die Vermeidung von Wegen zähle dazu. Da der Patient selbst die Apotheke wählen konnte, sei auch kein Eingriff in den Wettbewerb unter den Apotheken erkennbar.

Dass der Arzt mit den beiden konkret benannten Apotheken zusammenarbeite und eigene wirtschaftliche Interessen verfolge, sei eine Vermutung der Wettbewerbszentrale ins Blaue hinein, so die Richter. „Allein aus einem regelmäßigen Weiterleiten an die angeschlossenen Apotheken auf ein organisiertes Zusammenwirken zu schließen, ist mit Tatsachen nicht belegt“, so das Urteil.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Wettbewerbszentrale hat nach eigenen Angaben bereits Berufung beim Oberlandesgericht Naumburg (OLG) eingelegt.

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