Anti-Korruptionsgesetz

Geldstrafe oder Knast für kostenloses Verblistern

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Berlin -

Die Belieferung von Pflegeheimen kann für Apotheken ein attraktives Nebengeschäft sein. Allerdings verlangen immer mehr Heimbetreiber, dass die Apotheken eine patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung (PAV) anbieten – und zwar umsonst. Professor Dr. Hendrik Schneider und Claudia Reich von der Kanzlei Boemke und Partner warnen davor, auf solche Forderungen einzugehen. Denn nach dem neuen Anti-Korruptionsgesetz sei das kostenlose Verblistern strafbar.

Bei der PAV werden Arzneimittel für Heimbewohner von der versorgenden Apotheke bedarfsgerecht zusammengestellt und verblistert. Das Pflegepersonal kann die Medikamente ohne weiteren Aufwand für die Bewohner bereitstellen. Das erhöhe die Arzneimittelsicherheit und stelle für das Heim und seine Patienten einen Vorteil gegenüber der Auslieferung der Medikamente in der Originalverpackung dar, so Schneider und Reich in ihrem Gutachten. „Insbesondere das Heim spart Zeit und damit Geld ein.“ In einer Untersuchung sei von einer Stunde pro Patient und Monat die Rede.

Von angenommenen 14 Arbeitsschritten im Heim verbleiben demnach bei der Auslieferung verblisterter Arzneimittel nur noch fünf übrig. „Gerade deshalb kann kostenlose PAV für den Apotheker ebenso wie für den Heimträger strafrechtlich relevant sein“, so Schneider und Reich. Es geht um den neuen Strafrechtsparagrafen zu Korruption im Gesundheitswesen oder – wenn der Geschäftsführer des Heims ein Amtsträger oder ein angestellter Kaufmann ist – das bisherige Korruptionsrecht.

Das Strafgesetzbuch (StGB) wurde Anfang Juni um zwei neue Strafparagraphen zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen erweitert. Der Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln wurde zwar ausgeklammert, bei der Heimversorgung ist das Anti-Korruptionsgesetz laut Gutachten aber relevant.

Der Staatsanwalt könne argumentieren, dass das Heim Kosten spart und deshalb den Apotheker beim Abschluss des Heimversorgungsvertrages bevorzugt habe, der das Verblistern unentgeltlich anbietet. Das sei eine Unrechtsvereinbarung. Der Entscheidungsträger des Heims nehme Drittvorteile an.

Die Apotheker laufen dann Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden: „Entdeckungsrisiken sind hoch, denn der Markt ist umkämpft und die meisten Verfahren entstehen durch anonyme Strafanzeigen hinter denen auch der Wettbewerber stecken kann“, warnen die Autoren. Außerdem sei das kostenlose Verblistern unlauter und könne daher auch Berufsrecht des Apothekers verletzen. „Apotheker und Heim sind daher gut beraten, sich über einen Preis für PAV zu verständigen“, so Schneider und Reich.

Dass die Apotheke über ihre Heimversorgungsverträge gewissermaßen als Gegenleistung einen privilegierten Zugang zum Heim habe, sei kein Argument. Denn die PAV sei nicht Gegenstand des Heimversorgungsvertrages und damit nicht abgegolten. „Die PAV ist eine pharmazeutische Tätigkeit, an die nach § 34 ApoBetrO besondere Anforderungen in Bezug auf die räumliche und personelle Ausstattung gestellt werden und die mit einer arzneimittelrechtlichen Herstellungstätigkeit einhergeht, die gesondert vergütet werden muss“, heißt es im Gutachten.

Der vereinbarte Preis sollte angemessen sein. Externe Blisterzentren kalkulierten Preise von beispielsweise 3,20 Euro pro Patient/Woche. Hinzu kämen Verpackungskosten sowie Sonderpreise für Softwarenutzung im Rahmen der Erstellung des Medikationsplans oder des Bestandsmanagements. Im Rahmen eines Modellvorhabens der AOK Bayern wurden den Apotheken für das Verblistern 3 Euro und für die damit einhergehende pharmazeutische Leistung 3,10 Euro gezahlt, also eine Pauschale von 6,10 Euro pro Wochenblister.

Der konkrete Preis sollte von der Anzahl der zu versorgenden Patienten abhängen sowie von den Personal- und Materialkosten in der Apotheke. Wird ein Blisterzentrum eingeschaltet, können dessen Rechnung sowie der eigene Zeitaufwand der Apotheke veranschlagt werden. Ist der Preis zu niedrig angesetzt, liegt Schneider zufolge eine „gemischte Schenkung“ vor – und damit ein tatbestandsmäßiger Vorteil des Heims.

Die jeweilige Strafbarkeit bestimmt sich laut Gutachten nach dem Status des Heimträgers. Sind die Repräsentanten des Heimträgers Angehörige eines Heilberufs – etwa Altenpfleger –, ist der neue Strafrechtsparagraph auf Seiten des Heimträgers als Vorteilsnehmers und auf Seiten des Apothekers als Vorteilsgeber einschlägig. Steht das Heim im Eigentum der öffentlichen Hand, ist demnach von „normaler“ Bestechung und Bestechlichkeit auszugehen. Handelt es sich um ein Heim im Eigentum einer privaten Betreibergesellschaft, greift der bisherige Strafparagraph zu Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

Schneider und Reich vermuten, dass das Thema im Zuge der praktischen Handhabung der Korruptionsdelikte an Fahrt aufnehmen wird. Verstöße gegen das Anti-Korruptionsgesetz werden mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. In besonders schweren Fällen sind bis zu fünf Jahre Haft möglich.

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